Der Deutsche Ethikrat fordert ein Umsteuern bei Nutztierhaltung.
epd-bild/Christian Ditsch
Der gesetzliche Tierschutz und die Haltung von Nutztieren liegen in Deutschland weit auseinander. Nicht nur Kükenschreddern und Kastenhaltung müssen aufhören, sagt der Ethikrat und fordert die Politik auf, die Vollzugsdefizite endlich anzugehen.
16.06.2020

Der Deutsche Ethikrat verlangt ein grundsätzliches Umsteuern in der Nutztierhaltung, hält sich aber mit konkreten Forderungen an die Politik zurück. Das Tierwohl setze den Nutzungsinteressen des Menschen Grenzen, erklärte das Gremium am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung seiner Stellungnahme "Tierwohlachtung - Zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren". Diese Grenzen würden aber ständig überschritten.

Es sei eher die Ausnahme als die Regel, dass die Vorgaben des Tierschutzgesetzes bei der Haltung von Nutztieren eingehalten würden, kritisiert der Ethikrat. Die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) sprach von einer wichtigen ethischen Unterstützung für einen Umbau der Tierhaltung.

Der Ethikrat spricht sich nicht gegen die Nutztierhaltung und auch nicht ausdrücklich gegen die Massentierhaltung aus. Mit dem Leben der Tiere müsse aber "achtsam und sparsam" umgegangen werden, fordert er in der Stellungnahme. "Wenn wir Missstände abstellen, dann wird das zwangsläufig dazu führen, dass wir weniger Tiere halten und weniger tierische Produkte konsumieren", erläuterte Ethikratsmitglied Sigrid Graumann. Eine Achtung des Tierwohls würde auch dazu führen, dass Fleisch teurer werden müsse.

Andauernde Verstöße in der Geflügel- und Schweinehaltung

Der Jurist Steffen Augsberg, der dem Gremium ebenfalls angehört, sagte, es gebe ein "massives Vollzugsdefizit" zwischen Tierschutz auf dem Papier und der Praxis in der Nutztierhaltung: "Ich kenne kein einziges Rechtsgebiet, in dem so heuchlerisch vorgegangen wird wie im Tierschutz - wo so viel oben drinsteht und so wenig unten ankommt."

Der Ethikrat wandte sich insbesondere gegen andauernde Verstöße in der Geflügel- und Schweinehaltung. Das Kükenschreddern und die Kastenstandhaltung von Sauen widersprächen nicht nur dem Tierschutz, sondern auch geltendem Recht, kritisierte das Gremium. Gesetzwidrige Praktiken würden durch "jahrelange Übergangsregelungen" weiter ermöglicht. Dies sei abzulehnen, sagte die neue Vorsitzende des Gremiums, die Münchner Medizinethikerin Alena Buyx. Die Stellungnahme war noch unter ihrem Vorgänger Peter Dabrock erarbeitet worden.

Die Verbraucherorganisation foodwatch verlangte die schnellstmögliche Abschaffung der Käfige für zwei Millionen Zuchtsauen. Pläne der Bundesregierung sähen vor, die "Kastenstands-Tierquälerei" für weitere 17 Jahre zu erlauben, kritisierte foodwatch. Die Bundestagsabgeordnete Künast erklärte, der Schutz der Tiere stehe seit 2003 im Grundgesetz, aber es gebe immer noch unhaltbare Zustände durch "massivste Lobbyaktivitäten der alten Agrarpolitik."

Vage Empfehlungen an die Politik

Der Ethikrat beschäftigt sich in der Tierwohl-Stellungnahme ausschließlich mit der Nutztierhaltung. Tierversuche, religiös motivierte Schlachtpraktiken wie das Schächten, der Wildtierhandel, Tiere im Sport oder der Umgang mit Zoo- und Zirkustieren sind nicht Gegenstand der Expertise. Bei den Empfehlungen an die Politik bleibt das Gremium vage. Es empfiehlt unter anderem, den Tieren eine stärkere Lobby zu verschaffen. Die Zuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums für Tierschutzfragen sei "in diesem Sinne problematisch", heißt es in den Empfehlungen.

Für Veränderungen allein an die Konsumenten zu appellieren, reiche nicht, meint der Ethikrat. Die Politik müsse einen Strukturwandel hin zu einer ethisch vertretbaren Nutztierhaltung in Gang setzen. Es gehe nicht um eine Konfrontation zwischen Verbrauchern und Bauern, sondern um Regeln, die es Landwirten ermöglichen, unter für sie wirtschaftlichen Bedingungen das Tierwohl zu berücksichtigen. Dazu zähle auch, dass es für eine Umstellung von Betrieben Unterstützung geben müsse.

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