Wieder hat es ein Kamerateam erwischt, das über extremistische Umtriebe berichten will. Tatort diesmal ist ein Gericht, wo die Pressefreiheit eigentlich klar geregelt sein sollte.
05.06.2020

Nach einer Auseinandersetzung zwischen mutmaßlich Rechtsextremen und einem Fernsehteam vor dem Berliner Landgericht hat die Justizverwaltung vollständige Aufklärung versprochen. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) erklärte am Freitag, "die Pressefreiheit muss geschützt und gewahrt werden". Dies gelte auch für die Berichterstattung in und vor Gerichtsgebäuden. Er sei froh, dass das Landgericht mit Blick auf den Vorfall "alles Notwendige in die Wege geleitet hat".

Am Donnerstag war ein Fernsehteam des ZDF vor dem Berliner Landgericht für Zivilsachen verbal und auch tätlich angegriffen worden. Daran war auch ein Justizwachtmeister beteiligt, wie Gerichtspräsident Holger Matthiessen bestätigte. Er bedauere, dass bei dem Vorfall der Eindruck habe entstehen können, "Justizbedienstete würden Journalisten vor dem Gerichtsgebäude an der Berichterstattung hindern wollen". Tatsächlich habe der Wachtmeister nach eigenen Angaben lediglich Bildaufnahmen seiner eigenen Person verhindern wollen und dabei "ersichtlich überreagiert", sagte Matthiessen.

Kameramann wurde gestoßen

ZDF-Chefredakteur Peter Frey sprach von "Beeinträchtigungen der Dreharbeiten" und begrüßte zugleich "die klare Einordnung" des Gerichtes und "das damit verbundene eindeutige Bekenntnis zur Pressefreiheit". Nach ZDF-Angaben wurde das Fernsehteam, bestehend aus einem Journalisten und einem Kameramann, "bedrängt, bedroht, angepöbelt". Der Kameramann sei gestoßen worden, verletzt wurde niemand, sagte ein ZDF-Sprecher. Das Team war für "Frontal 21" und "ZDFzoom" unterwegs. Die Auseinandersetzung soll sich zunächst vor dem Gerichtsgebäude abgespielt und dann Medienvertretern zufolge in den Gängen des Gerichtes fortgesetzt haben.

Bereits Anfang Mai gab es im Zusammenhang mit Protesten gegen die Corona-Verordnungen zwei Angriffe auf Kamerateams. Außerdem kam es zu einem Vorfall bei einem Polizeieinsatz auf einer 1. Mai-Demonstration.

Angriff auf Pressefreiheit

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte Konsequenzen. DJV-Chef Frank Überall sprach von einem erneuten Angriff auf die Pressefreiheit. Die Behörden hätten dafür zu sorgen, dass eine freie Berichterstattung möglich ist. Die Reaktion der Justizbeamten bezeichnete Überall als völlig unangemessen.

Hintergrund war eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht für Zivilsachen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer Karikatur von der Leiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, durch den halleschen Rechtsextremisten Sven Liebich. Die Stiftung setzt sich unter anderem für eine demokratische Zivilgesellschaft und gegen Rechtsextremismus ein. Laut "tageszeitung" (taz), die als erste über den Vorfall berichtet hatte, handelte es sich bei den Angreifern um etwa 15 Sympathisanten von Liebich.

Der betroffene Journalist Arndt Ginzel und sein Kameramann hatten über Liebich zuvor in der "Frontal 21"-Sendung vom 19. Mai unter dem Titel "Mit Judenstern gegen Corona-Maßnahmen" berichtet. Auch bei diesen Dreharbeiten soll es bereits Übergriffe gegen das Team gegeben haben. Im Verfassungsschutzbericht von Sachsen-Anhalt 2018 wird Liebich im Kapitel Rechtsextremismus unter anderem als "Provokateur und Verschwörungstheoretiker" bezeichnet.

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