Verhaltensregeln und Einschränkungen: Verschwörungstheorien ziehen Kreise
epd-bild/Stefen Schellhorn
Uffa Jensen macht es Sorgen, dass in der Corona-Krise Zweifel und die Suche nach alternativen Erklärungen bis in die Mitte der Gesellschaft Kreise ziehen. Der Extremismusforscher sieht ein Grundmuster, fast deckungsgleich mit Antisemitismus.
14.05.2020

Der Extremismusforscher Uffa Jensen hat sich besorgt über die Ausbreitung von Verschwörungsmythen in der Corona-Krise geäußert. Die Zweifel und die Suche nach alternativen Erklärungen seien bis weit in die sogenannte gesellschaftliche Mitte populär, sagte der stellvertretende Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Es ist ja kein Zufall, dass ein FDP-Politiker wie Thomas Kemmerich auf solchen Demonstrationen mitläuft."

Jensen verwies auch auf die Erklärung katholischer Geistlicher, unter anderen von Kardinal Gerhard Ludwig Müller, die von einer Weltregierung fasele. Er warne deshalb davor, die durch die Corona-Krise ausgelöste Verunsicherung und auch das Verschwörungsgerede nur bei extremen Rechten oder Linken zu verorten.

Extreme Emotionen

Die aktuelle Konjunktur von Verschwörungstheorien habe sicherlich mit der völlig präzedenzlosen Situation zu tun, in der sich die Gesellschaft gerade befinde, sagte der Historiker. Viele Menschen erlebten durch den Corona-Lockdown schwere Einschränkungen und echtes Leid. In dieser Situation empfänden Menschen extreme Emotionen wie Angst, Verunsicherung, Wut und Verzweiflung. "Allein das würde schon für einen Aufwind kruder Verschwörungstheorien reichen", sagte Jensen.

Hinzu komme: Die einzigen, die hier Wissen anzubieten hätten, seien Wissenschaftler, auf die sich selbst die Politik in einer völlig neuen Weise verlassen müsse, erklärte er. Das führe zu Kritik an solchen Experten, und alternatives Wissen könne sich besonders gut verbreiten.

"Leicht zu glaubender Blödsinn"

Gerade weil Deutschland besser durch die Krise gekommen sei als andere Länder, könne sich jetzt der Zorn auf die Politik viel leichter manifestieren, sagte der Autor des 2017 erschienenen Buches "Zornpolitik": "Zum einen weil die Leute schlicht nicht mit dem bloßen Überleben beschäftigt sind. Zum anderen haben viele Menschen in Deutschland die Verheerungen des Virus nicht aus eigener Anschauung erlebt, wie etwa in Norditalien oder in New York."

Für viele sei diese tödliche Seuche doch etwas Abstraktes geblieben, fast ein Gerücht und eine Obsession der Medien, der Politiker und Eliten, sagte Jensen. Zugleich habe dieses vermeintliche Gerücht enorme Konsequenzen im Leben aller. Daher glaubten die Leute gerne, wenn ihnen Verschwörungsideologen erzählen, es sei alles erstunken und erlogen.

Dabei sei das Grundmuster aller Verschwörungstheorien fast deckungsgleich mit Antisemitismus, und es sei "sehr gefährlich", wenn dieser jetzt neue Nahrung erhalte. "Das mag für viele auf den ersten Blick wie simpler Blödsinn erscheinen, aber es ist eben sehr alter, sehr wirksamer und leicht zu glaubender Blödsinn", sagte Jensen.

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