Soll die Bundeswehr bewaffnete Drohnen zum Schutz deutscher Soldaten einsetzen können? Über diese Frage soll in mehreren Veranstaltungen offen diskutiert werden, bevor sich der Bundestag damit befasst. So sieht es auch der Koalitionsvertrag vor.
11.05.2020

Das Verteidigungsministerium wirbt für eine "aufrichtige" gesellschaftliche Debatte über den Einsatz bewaffneter Bundeswehr-Drohnen. Die Drohnen, um die es gehe, seien keine autonomen Waffensysteme, sagte der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber (CDU) am Montag zum Auftakt einer "offenen Debatte über eine mögliche Bewaffnung von Drohnen" des Verteidigungsministeriums in Berlin, die auch im Internet übertragen wurde. Nicht eine künstliche Intelligenz entscheide über den Einsatz, sondern immer der Mensch. Bislang sei die Diskussion darüber teilweise "hochemotional" geführt worden, bedauerte er. Ethikexperten mahnten indes eine moralisch verantwortliche Positionierung an, bevor die Drohnen der Bundeswehr bewaffnet werden.

Die Bundeswehr setzt ihre Drohnen bislang ausschließlich zur Aufklärung ein. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, dass der Bundestag über die Bewaffnung von Drohnen erst nach "ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung" entscheiden werde. Deshalb hat das Verteidigungsministerium nun die Debatte gestartet. Den Angaben nach sind für den 25. und 26. Mai Folgeveranstaltungen im Bundestag geplant. Darüber hinaus werde Tauber am 26. Mai an einem Onlineseminar der Universität Regensburg teilnehmen. Der Parlamentarische Staatssekretär versicherte, das Ministerium sei dabei "nur ein Debattenteilnehmer". Zudem sei die Bundeswehr als Parlamentsarmee immer an ein Mandat des Bundestags gebunden.

"Elemente des Unbehagens"

Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink sieht indes einige "Elemente des Unbehagens". So seien bewaffnete Drohnen Teil einer riesigen digitalen Revolution in der Bewaffnungstechnologie. Dabei gehe es auch um die Frage, ob es in der künftigen Kriegsführung überhaupt noch einen Einfluss des Menschen gebe oder ob Maschinen das künftig untereinander aushandelten. Es müsse sehr sorgfältig über die Vor- und Nachteile nachgedacht werden. Gerade bei einer fortschreitend automatisierten Kriegsführung müsse man zudem fragen, ob das menschliche Gehirn überhaupt so schnell reagieren könne, wie der Mensch dies im Zweifelsfall müsste.

Rechtsexpertin Heike Spieker verwies auf einige Grundsätze, die es zu beachten gelte: Der der Menschlichkeit, der Unparteilichkeit sowie der Linderung und Verhütung menschlichen Leids. Sowohl Unparteilichkeit als auch Menschlichkeit erforderten dabei eine größtmögliche Nähe zwischen Entscheidung und Wirkung, betonte Spieker, die im Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes das Team "Internationales Recht und internationale politische Beziehungen" leitet.

Schutz deutscher Soldaten

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, machte sich für den bestmöglichen Schutz deutscher Soldatinnen und Soldaten stark und berichtete von Erfahrungen aus Afghanistan und Mali. Soldaten im afghanischen Kundus hätten bereits die Situation erlebt, dass sie die Taliban bei der Angriffsvorbereitung live hätten beobachten können, dabei aber wehrlos gewesen und somit unter Beschuss gekommen seien.

Nach Einschätzung der Kinderrechtsorganisation "Save the Children" steigt im Jemen wiederum wegen des Einsatzes bewaffneter Drohnen die Zahl unbeteiligter Opfer. Susanna Krüger, Geschäftsführerin der Organisation in Deutschland, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Distanz zwischen den handelnden Soldaten und dem Kriegsschauplatz wird höher, das führt zu einer größeren Ungenauigkeit und zu mehr zivilen Opfern." Inzwischen würden Drohnen im Jemen von allen Akteuren eingesetzt.

Der Vizevorsitzende der Linksfraktion, Andrej Hunko, kritisierte indes die vom Verteidigungsministerium initiierte Debatte als "Alibiveranstaltung". Er forderte eine Veranstaltungsreihe in allen Bundesländern und eine Umfrage oder Abstimmung in der Bevölkerung. "Denn die lehnt Killerdrohnen bekanntlich ab." Das globalisierungskritische Netzwerk Attac verlangte, "alle Drohnen-Bewaffnungspläne während der Corona-Pandemie zu stoppen". Eine breite gesellschaftliche Debatte könne nicht "im Wohnzimmer des Verteidigungsministeriums geführt werden".

Permalink

Es sollten noch die Äußerungen des Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant André Wüstner, an dieser Stelle erwähnt werden : „Wenn Sie gegen dieses protektive Waffensystem sind, entgegen den Forderungen aus den Einsatzgebieten: nun denn. Aber dann entsenden Sie nie wieder Soldaten in Konfliktgebiete. Denn wenn in Mali oder sonst wo Kameraden fallen, weil Sie mit Nein gestimmt haben, dann sind das auch Ihre Gefallenen.“
Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen. Allerdings dürfte den erwähnten Politikern und Geistlichen dieses Argument höchst gleichgültig sein; ihre Töchter und Söhne - sofern überhaupt vorhanden - werden sehr wahrscheinlich nicht zu den Opfern einer unzulänglichen Ausrüstung der Streitkräfte zählen ....

Wieder mal ein Zitat ohne Quellenangabe. Aber geschenkt. Sollte Herr Oberstleutnant André Wüstner das gesagt haben, dann war er also darum bemüht, die Leichen auf das richtige Konto zu buchen. Als Leiche wäre es mir piepegal, auf wessen Soll- oder Habenseite ich erscheine. Als Lebender bin ich daran interessiert, nicht zur Leiche gemacht zu werden. Und das Versprechen, die eigene Armee trickreich dermaßen hochzurüsten, dass die Leichen nur beim Feind anfallen, war schon immer ein lebensgefährlicher Rohrkrepierer.

Fritz Kurz

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.