Frau bei einer Demo mit dem Grundgesetz in der Hand (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Die Proteste gegen die Beschränkungen in der Corona-Pandemie sind gekennzeichnet durch ein "diffuses Spektrum an Teilnehmern", sagt der Soziologe Matthias Quent im Gespräch mit dem epd. Er sieht die Gefahr vor einer rechten Unterwanderung.
11.05.2020

Der Soziologe Matthias Quent warnt vor einer rechten Unterwanderung der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Es bestehe die Gefahr, dass Menschen radikalisiert würden, die mit rechtsextremer Ideologie bislang nichts zu tun hätten, sagte der Gründungsdirektor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es ist besorgniserregend, dass auch Leute, die gerade nicht wissen wohin mit ihrer Verzweiflung und ihrer Verunsicherung, vereinnahmt werden könnten durch Akteure, die eine längerfristige Programmatik und Zielsetzung verfolgen", erklärte er.

Er sehe das Risiko, "dass in neuen Kreisen eine Offenheit entsteht, rechtsextreme, populistische oder antisemitische Akteure zu unterstützen und deren Sprechweise und Gedanken zu übernehmen", sagte Quent. Die Proteste gegen die Beschränkungen in der Corona-Pandemie seien gekennzeichnet durch ein "diffuses Spektrum an Teilnehmern". "Das reicht von eher grün geprägten Impfgegnern aus esoterischen Umfeldern bis zu Menschen, die jetzt Existenzverluste haben oder überfordert sind mit der Kinderbetreuung und gleichzeitiger Arbeit", erklärte der Soziologe.

Keine wahrnehmbare Abgrenzung

In der Außenwirkung seien diese Gruppen mit legitimen Anliegen aber kaum wahrnehmbar angesichts der Lautstärke von Populisten und Verschwörungsideologen. Auch finde keine wahrnehmbare Abgrenzung statt. "Besonders sichtbar sind diejenigen, die eine Anti-System-Haltung vertreten und schrille Verschwörungslegenden verbreiten", sagte Quent. "Sie hoffen auf eine gemeinsame Front von links- bis rechtsaußen." Eine ähnliche Zusammensetzung an Teilnehmern habe sich bereits 2014 bei den sogenannten Montags-Mahnwachen für den Frieden in Zusammenhang mit der Ukraine-Krise gezeigt.

Damals seien auch die wichtigsten Einflussgeber bekanntgeworden, die bei den derzeitigen Protesten nun wieder eine Rolle spielten, erklärte der Gründungsdirektor des außeruniversitären Instituts in Trägerschaft der Amadeu Antonio Stiftung. Er verwies etwa auf den als Verschwörungsideologen bekannten ehemaligen Moderator Ken Jebsen und das rechtsextreme "Compact"-Magazin von Jürgen Elsässer. "Solche Akteure haben sich im Internet Gemeinschaften aufgebaut und das organisiert, was sich jetzt auch auf den Straßen Bahn bricht", sagte Quent.

Er betonte zugleich, dass es sich bei den Gegnern der Corona-Maßnahmen um eine "sehr, sehr kleine, wenn auch laute Minderheit" handele. Die Statistik zeige, dass die große Mehrheit der Deutschen mit der Pandemie-Bekämpfung der Regierung zufrieden sei. Dennoch dürfe die Entwicklung nicht bagatellisiert werden, unterstrich Quent: "Wir dürfen nicht denselben Fehler machen wie vor einigen Jahren: Dass das alles nur besorgte Bürger sind, die man irgendwie verstehen müsse. Denn das würde die ideologische Vehemenz und auch die Strategien der neuen Rechten völlig harmlosen."

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