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epd-bild/Uwe Lewandowski
Antisemitische Vorfälle werden von Meldestellen bislang nicht bundesweit erfasst. Systematisch dokumentiert wird Antisemitismus seit einigen Jahren in Berlin und nun auch in Bayern, Brandenburg und Schleswig-Holstein. Weitere Länder sollen folgen.
06.05.2020

Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) hat in seinem ersten Jahresbericht insgesamt 1.253 antisemitische Vorfälle für 2019 dokumentiert. Darin eingeflossen sind die Zahlen aus den Bundesländern Berlin (881), Brandenburg (138), Bayern (178) und Schleswig-Holstein (56), wie der Geschäftsführer des RIAS-Bundesverbandes, Benjamin Steinitz, am Mittwoch in Berlin betonte. Aus den restlichen zwölf Bundesländern seien die Daten weniger aussagekräftig, da dort 2019 noch keine eigenständigen Meldestellen existierten. So seien für das übrige Bundesgebiet im vergangenen Jahr insgesamt 200 antisemitische Vorfälle gemeldet worden.

"Impfgegner"

Mit Blick auf die aktuelle Covid-19-Pandemie warnte der RIAS-Bundesverband vor einer Zunahme von antisemitischen Verschwörungsfantasien und antisemitischen Symbolen bei Demonstrationen, die sich gegen die Corona-Maßnahmen richteten. So seien bei den sogenannten Hygienedemos in Berlin oder ähnlichen Protesten in anderen Bundesländern mehrfach Schutzmasken mit gelbem Stern aufgetaucht, in dessen Mitte "Impfgegner" oder "ungeimpft" stand.

Antisemitische Verschwörungsfantasien würden sich bei den Anti-Corona-Protesten zunehmend vom Internet auf die Straße verlagern, berichteten die Leiterin von RIAS Bayern, Annette Seidel-Arpaci, und Dorina Feldmann von der Fachstelle Antisemitismus Brandenburg als Projektträger von RIAS Brandenburg. Die aktuelle Entwicklung sei "sehr erschreckend", sie betreffe nicht nur Anhänger des rechtsextremen Spektrums, sondern reiche bis in die Mitte der Gesellschaft, sagte der Leiter der Landesweiten Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus Schleswig-Holstein, Joshua Vogel.

Fälle extremer Gewalt

Seit Februar 2019 initiiert und unterstützt der RIAS-Bundesverband den Aufbau regionaler Melde- und Unterstützungsnetzwerke in verschiedenen Bundesländern. Vorbild ist die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Berlin, die bereits seit 2015 besteht.

Die öffentliche Wahrnehmung von Antisemitismus sei 2019 stark geprägt gewesen durch den rechtsextremen Terroranschlag auf die Synagoge in Halle an der Saale am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, betonte Steinitz. Doch auch in anderen Regionen habe es Fälle extremer Gewalt gegeben, so etwa gegen eine Jüdin in Bayern. In Berlin habe zudem ein Mann versucht, mit einem Messer in eine Synagoge einzudringen. Die Vorfälle zeigten, dass von antisemitischen Tätern eine potenziell tödliche Bedrohung ausgeht, betonte der RIAS-Bundesverband.

"Antisemitisches Othering"

Zu den häufigsten Erscheinungsformen habe der "Post-Schoah-Antisemitismus" gehört. Dabei werde in unterschiedlicher Weise Bezug auf den Holocaust genommen. Sehr oft sei es auch zum "antisemitischen Othering" gekommen, indem Jüdinnen und Juden "als nicht zum eigenen Kollektiv dazugehörend markiert werden".

In allen Bundesländern sei der politische Hintergrund in fast der Hälfte der Fälle nicht eindeutig bestimmbar gewesen. Das sei ein Hinweis darauf, dass Antisemitismus auch in nicht explizit politischen Milieus weit verbreitet sei und einzelne Stereotype von unterschiedlichen politischen Spektren verwendet werden, erklärte der RIAS-Bundesverband.

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