Viele Künstler leben in Armut (Archivbild).
epd-bild/Norbert Neetz
Der Kunstprofessor bezweifelt, dass Bildende Künstler von den Nothilfeprogrammen der Bundesregierung profitieren. Die wenigsten seiner Schüler könnten von ihrer Kunst leben, auch nicht die begabtesten.
05.05.2020

Der hannoversche Künstler Timm Ulrichs (80) betrachtet die Debatte um Staatshilfen für die Kultur angesichts der Corona-Krise zwiespältig. "Ich habe durchaus Verständnis für derartige Forderungen, schließlich bedeuten die Einschränkungen Einnahmeausfälle beispielsweise für Schauspieler, Musiker und viele Kultureinrichtungen", sagte der international renommierte Kunstprofessor dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Aber speziell Bildende Künstler dürften die Diskussion recht ungerührt sehen - denn die allermeisten von ihnen haben schon vor der Corona-Krise in wirtschaftlich prekären Verhältnissen gelebt."

Es sei deshalb fraglich, ob Bildende Künstler von Maßnahmen wie dem vom Bund aufgelegten Nothilfeprogramm für Kleinstunternehmen und Soloselbstständige profitieren könnten, sagte Ulrichs, der sich aufgrund seines genre- und medienübergreifenden Schaffens als "Totalkünstler" bezeichnet. Das Programm richtet sich an Gewerbetreibende und Freiberufler, die explizit durch die Corona-Krise in eine Schieflage geraten sind.

Kunst auf eigenes Risiko

Von rund 300 Absolventen seiner einstigen Klasse an der Kunstakademie Münster könnten nicht einmal zehn von ihrer Kunst leben, erläuterte Ulrichs. "Die anderen, darunter auch die Begabtesten, sind Lehrer geworden oder schlagen sich selbst im fortgerückten Alter noch mit Gelegenheitsjobs durch." Er selbst habe das Glück, durch seine Professur "bis zu meinem Tod staatlich alimentiert zu werden". Allerdings flössen seine Bezüge fast vollständig in sein Werk: "Die meisten Künstler produzieren aus innerem Antrieb und auf eigenes Risiko, nicht mit äußerem Auftrag. Entsprechend müssen sie die Kosten ihrer Arbeit selbst tragen." Ulrichs lehrte zwischen 1972 und 2005.

Wer Künstler sein wolle, dürfe kein bequemes Leben anstreben, sondern brauche "eine Abenteurerseele", sagte der emeritierte Hochschullehrer: "Ein bisschen Christoph Kolumbus muss man schon sein: Bereit, ins Ungewisse aufzubrechen, ohne die Garantie, sicheres Land zu erreichen." Staatliche Kunstförderung in Form von Stipendien und Ausschreibungen erachtet Ulrichs, der im Januar mit dem Käthe-Kollwitz-Preis für sein Lebenswerk geehrt wurde, nur in Maßen für sinnvoll: "Je mehr Geld der Staat in die Kunst pumpt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass zu viel Mittelmaß entsteht."

Geburtstags-Schauen pausieren wegen Corona

Obgleich Ulrichs nach eigenem Bekunden "keine Lust hat, sich zu einer überhasteten Diskussion um die Folgen und Lehren der Corona-Krise zu äußern", ist auch er von der aktuellen Ausnahmesituation betroffen. Anlässlich seines 80. Geburtstags am 31. März richten gleich mehrere Museen und Galerien Ausstellungen für den 1940 in Berlin geborenen Künstler aus. Zwei bereits Anfang März gestartete Werkschauen - eine im Berliner Haus am Lützowplatz, eine weitere im Kasseler Kunsttempel - pausieren derzeit. Zwei weitere Ausstellungen im Worpsweder Barkenhoff und im Kunstmuseum Celle hätten längst eröffnet werden sollen.

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