Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten gestiegen. (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Journalisten werden zunehmend angegriffen. Wie viele der angezeigten Fälle konsequent verfolgt und aufgeklärt werden, erfasst das Bundesinnenministerium nicht. Medienorganisationen fordern ein Umdenken.
20.02.2020

Die Zahl der registrierten Angriffe auf Journalisten in Deutschland steigt. Wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, wurden im vergangenen Jahr 104 Fälle von Beleidigung, Erpressung oder gar gefährlicher Körperverletzung registriert, 11 mehr als 2018. Es gehe "bei weitem nicht um Einzelfälle", erklärte die medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Doris Achelwilm, am Donnerstag in Berlin. Die Entwicklung sei Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas, das die Pressefreiheit bedrohe. Zuerst hatte die "Rhein-Neckar-Zeitung" (Donnerstag) über die Zahlen berichtet.

Die häufigsten registrierten Delikte sind demnach Bedrohungen, Beleidigungen und Volksverhetzungen. Laut Ministeriumsantwort konnten 15 Fälle bei Versammlungen von Rechten nachgewiesen werden. Aus der Antwort geht auch hervor, dass das Bundesinnenministerium keine Statistik über den Ausgang der Verfahren und die Aufklärungsrate führt.

Medienschaffende systematisch schützen

Achelwilm forderte, Journalisten und Redaktionen müssten systematisch geschützt, Gewalt- und Straftaten gegen Medienvertreter konsequent geahndet werden. Dass Straftaten gegen Medienvertreter nicht mit Nachdruck aufgeklärt und präventiv verstärkt in den Fokus genommen würden, sei unerklärlich, argumentierte sie.

Zugleich schlug sie einen Runden Tisch im Bundesinnenministerium mit Gewerkschaften und Berufsverbänden vor. Auch gehöre das Thema auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz. Polizeikräfte sollten verpflichtet werden, an Schulungen zur Pressefreiheit teilzunehmen. Die Strafverfolgungsbehörden müssten für das Thema sensibilisiert werden.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di zeigte sich von den Zahlen alarmiert. Dass es sich bei mehreren Straftaten um Körperverletzung oder gefährliche Körperverletzung bei rechten Versammlungen handelt, zeige, dass Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit bedroht seien, erklärte dju-Bundesvorsitzende Tina Groll. "Das dürfen wir nicht hinnehmen."

Hohe Dunkelziffer

Der Anteil von Straftaten bei rechtsradikalen Veranstaltungen liege in beiden Jahren bei 14 Prozent. "Das ist hochgradig beunruhigend", sagte Groll. Rechte Angriffe und rechtsextremer Terror seien eine größer werdende Gefahr. "Das haben die Morde in Hanau uns auch heute wieder schmerzlich bewusstgemacht."

Der Bundesregierung hielt Groll vor, sie verkenne "offenbar die dramatischen Konsequenzen für die Pressefreiheit und die Demokratie, die dieser Anstieg von Gewalt gegen Medienschaffende offenbart". Die Länderinnenminister müssten Maßnahmen auf den Weg bringen, um Medienschaffende besser zu schützen.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) schätzt, dass es eine hohe Dunkelziffer bei Angriffen auf Journalisten gibt. Viele Beleidigungen, Anpöbeleien oder Anrempeleien würden nicht angezeigt, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner auf epd-Anfrage. Das höre der Verband immer wieder aus Redaktionen. Er gehe deshalb davon aus, dass die Zahl der Angriffe auf Medienvertreter wesentlich höher liege als in der Antwort des Bundesinnenministeriums ausgewiesen.

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