Drei Fragen an Christian Katzer von "Ärzte ohne Grenzen".
27.12.2019

Seit fünf Jahren tobt im Jemen Krieg. Die "Ärzte ohne Grenzen" haben dort 2.500 einheimische und internationale Mitarbeiter: Sie betreiben zwölf Krankenhäuser und Gesundheitszentren, weitere 20 werden mit medizinischem Material beliefert. Ferner zahlt die Hilfsorganisation etwa 1.175 Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums monatlich Gehälter. Christian Katzer, Leiter der Berliner Projektabteilung, schildert die Lage in dem arabischen Land, das unter einer der schlimmsten humanitären Katastrophe der Welt leidet.
epd: Herr Katzer, Sie waren im Dezember zehn Tage im Jemen. Wie sieht es dort nach fünf Jahren Krieg aus?
Katzer: Wir sind von Sanaa aus auf dem Landweg nach Tais und dann nach Aden im Süden gefahren und haben ein Land gesehen, das tief gezeichnet ist von den Kämpfen. Die Straßen sind schlecht, viele Schulen sind geschlossen, und Krankenhäuser funktionieren oft nicht. Es gibt Kampfhandlungen an Frontlinien im Süden und Luftschläge im Norden. Die Märkte verkaufen zwar Lebensmittel, aber es gibt sehr viele Menschen, die sich das nicht leisten können.

"Zugang für humanitäre Hilfe erleichtern"

epd: Eines Ihrer Krankenhäuser ist in der Stadt Tais, wo es immer wieder Kämpfe gibt. Wie arbeiten Sie dort?
Katzer: In der Stadt unterstützen wir drei Krankenhäuser, mit je einem Spezialgebiet: Geburtshilfe, ein Kinderkrankenhaus und eines, das auf die Behandlung von Verletzten spezialisiert ist. Auf der anderen Seite der Front, in Huban, einem Vorort von Tais, betreiben wir ein Mutter-Kind-Krankenhaus. Huban ist eigentlich nur 15 Autominuten vom Stadtkern entfernt. Jetzt braucht man für die Strecke aber fünf Stunden. Denn die Hauptverbindungsstraße liegt an der Frontlinie und ist damit unpassierbar. Wer dorthin will, muss also eine lange Fahrt durch die Berge auf sich nehmen. Es gibt gerade Verhandlungen darüber, dass ein Hilfskorridor in die Stadt wieder aufgemacht wird. Die Konfliktparteien müssen unbedingt den Zugang für humanitäre Hilfe erleichtern. Momentan gibt es oft wochenlange Verzögerungen. Das ist nicht akzeptabel.
epd: Mit welchen Beschwerden kommen die meisten Patienten?
Katzer: Unser Fokus liegt auf der Versorgung von Schwangeren, Kindern und den Menschen, die im Krieg verletzt wurden. Wir haben schon 135.000 von ihnen seit März 2015 behandelt. In Tais gab es neulich eine bewaffnete Auseinandersetzung um ein Stück Land. Jungs, die Fußball gespielt haben, sind wegen der Schießerei weggerannt, einer wurde von einem Auto erfasst. Er wurde mit einer Kopfverletzung in die Notaufnahme gebracht. Der Junge taucht in der Statistik übrigens nur als Verkehrsopfer auf. Insgesamt merken wir, dass Patienten erst sehr spät kommen. Denn Benzin ist teuer und an den Checkpoints ist es gefährlich. Oft kommt es dadurch zu Komplikationen, die vermeidbar gewesen wären.

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