Bereits 2016 forderten Familienangehörige von gefangenen IS-Kämpfern die Rückkehr der in Syrien festsitzenden Kinder nach Deutschland.
epd-bild / Mey Dudin
Bis zu 100 deutsche Männer und Frauen der Terrormiliz "Islamischer Staat" mit rund 100 Kindern sind laut Medienberichten in Nordsyrien und in der Türkei interniert. Die Türkei will nun mit der Abschiebung beginnen. Islamexperte Michael Kiefer sieht gewaltige Herausforderungen auf die Behörden zukommen.
13.11.2019

Der Osnabrücker Islamexperte Michael Kiefer sieht aufgrund der von der Türkei angekündigten Abschiebung deutscher ehemaliger IS-Kämpfer vielschichtige Probleme auf die deutschen Behörden zukommen. "Das sind gewaltige Herausforderungen, weil jetzt innerhalb kurzer Zeit eine zwei- bis dreistellige Zahl von Personen einschließlich Frauen und Kindern nach Deutschland kommen könnten", sagte Kiefer dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bereits vor einem Jahr hätte die Bundesregierung beginnen können, die IS-Sympathisanten aus der Türkei und Nordsyrien geordnet und nach und nach zurückzuholen. Doch sie habe sich stets geweigert, kritisierte der Islamwissenschaftler der Universität Osnabrück: "Das rächt sich jetzt. Nun haben die Türken das Heft das Handelns in der Hand."

Tausende ehemalige Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sind laut Medienberichten in Lagern der Kurden in Nordsyrien und in der Türkei interniert, darunter bis zu 100 deutsche Männer und Frauen mit rund 100 Kindern. Weil Deutschland und auch andere europäische Staaten ihre Staatsbürger bislang nicht zurücknehmen wollten, hatte die türkische Regierung in der vergangenen Woche angekündigt, gefangen genommene IS-Kämpfer in ihre Heimatländer abzuschieben. Unter anderen soll an diesem Donnerstag eine siebenköpfige Familie, die aus Niedersachsen ausgereist war, abgeschoben werden.

Bislang kaum Informationen über zurückgeschickte Personen

Das große Problem sei, dass die deutschen Behörden bislang kaum Informationen über die zurückgeschickten Personen erhalten hätten, erläuterte Kiefer, der auch Projekte zur Radikalisierungsprävention wissenschaftlich begleitet. Jugendämter, Kitas und Schulen hätten keine Zeit, sich auf möglicherweise radikalisierte oder traumatisierte Familien einzustellen. Wenn etwa Eltern in Haft kämen, müssten die Kinder in Obhut genommen und an erfahrene Pflegeeltern oder Betreuungseinrichtungen vermittelt werden.

Wenn Familien nach wie vor radikalisiert seien, sei es schwer, sie mit Beratungsangeboten zu erreichen und die Kinder vor Indoktrinierung zu schützen. Allein die Tatsache, dass Eltern einer radikalen Ideologie anhingen, biete keine Handhabe, Kinder in Obhut zu nehmen, sagte Kiefer. Er sei skeptisch, ob etwa in ländlichen Gebieten Einrichtungen auf Rückkehrer vorbereitet seien, die nicht zur Kooperation bereit sind. Rückkehrer hätten aber, wenn sie nicht in Haft kämen, das Recht, ihren Wohnort frei zu wählen.

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