Proteste in Chile
epd-bild/Salka Tennen
Die Regierung in Chile beugt sich dem Druck der Straße: Sie verspricht eine neue Verfassung. Das bisherige Grundgesetz stammt aus der Zeit der Pinochet-Diktatur.
11.11.2019

Nach wochenlangen Sozialprotesten hat die chilenische Regierung die Erarbeitung einer neuen Verfassung angekündigt. "Wir glauben, dass die Debatte über eine neue Verfassung legitim ist, und die Regierung wird sich ihrer annehmen", sagte Innenminister Gonzalo Blumel nach einer Sitzung mit verschiedenen Parteien am Sonntag (Ortszeit) laut der chilenischen Zeitung "La Tercera" (Online). Man werde einen verfassungsgebenden Kongress einberufen.

Damit geht die Regierung des konservativen Präsidenten Sebastián Piñera auf eine der Hauptforderungen der Bevölkerung ein, die seit Wochen für tiefgreifende Sozialreformen auf die Straße geht. Laut Amnesty International hat die Regierung auf die Proteste unverhältnismäßig hart reagiert. "Die staatlichen Kräfte gehen permanent mit Gewalt gegen die Demonstrierenden vor", kritisierte Amerika-Direktorin Erika Guevara Rosas.

Die derzeitige Verfassung stammt aus der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990), der eine neoliberale Politik verfolgte und beispielsweise das Bildungswesen privatisierte. Noch am Samstag hatte Präsident Piñera eine neue Verfassung abgelehnt und stattdessen tiefgreifende Änderungen des geltenden Grundgesetzes angekündigt.

Gravierende Ungleichheit im Land

Seit Mitte Oktober protestieren die Chilenen gegen die Regierung. Dabei kam es immer wieder zu schweren Ausschreitungen, bei denen nach offiziellen Angaben mindestens 20 Menschen getötet und Tausende festgenommen wurden. Die Polizei steht wegen übertriebener Gewalt in der Kritik. Auslöser für die Proteste war eine Erhöhung der Fahrpreise für den Nahverkehr. Doch die steigenden Lebenshaltungskosten und die gravierende Ungleichheit im Land sorgen seit langem für Unmut.

Innenminister Blumel sagte am Sonntag, die Priorität der Regierung sei nun ein Dialogprozess, um die Prioritäten der Bevölkerung zu erfassen. Die Regierung wolle mit großer Kraft bei der sozialen Agenda vorankommen. Das Mindesteinkommen sowie die Renten sollten angehoben, die Preise für Medikamente und Dienstleistungen wie Strom gesenkt werden.

Amnesty rief Präsident Piñera auf, weitere Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Die Kontinuität der Gewalt zeige, dass es keinen wirklichen Willen gebe, die gescheiterte Strategie zu korrigieren und die Forderungen der Bevölkerung ohne Verletzung ihrer Rechte zu begegnen. Es handle sich nicht um Einzelfälle von Gewalt, betonte die geschäftsführende Chile-Direktorin der Organisation, Ana Piquer. Amnesty habe Tausende Fälle fast überall im Land erfasst.

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