Winfried Kretschmann (Archivbild)
epd-bild / Gerhard Bäuerle
Auf dem Medienpolitischen Kongress der baden-württembergischen Landesregierung plädiert Ministerpräsident Kretschmann für stärkeren Qualitätsjournalismus. Der Philisoph Nida-Rämelin warnt vor Utopien im Umgang mit dem Internet.
07.11.2019

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich für eine Stärkung des Qualitätsjournalismus' ausgesprochen. Dies sei für eine Demokratie wesentlich, sagte er am Donnerstag auf dem Medienpolitischen Kongress der Landesregierung in Stuttgart vor rund 350 geladenen Gästen. Der Philosoph Julian Nida-Rümelin warnte auf der Tagung vor Utopien und Hysterien im Umgang mit dem Internet.

Mit Sorge sehe er das Zeitungssterben, ohne dass digitale Formate nachwüchsen, die mit den Standards der Zeitungen mithalten könnten, sagte Kretschmann. Auch das Fernsehen sei nicht mehr das "alleinige Lagerfeuer der Nation, um das sich alle abendlich versammeln." Heute könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass alle über dieselben Themen diskutieren, erklärte er. Denn die Mehrheit der Jüngeren sei vor allem im Internet unterwegs - "auch in den aufgeheizten Dunkelkammern der digitalen Unterwelt".

Verantwortung bei Umbrüchen der Medienwelt

Kretschmann forderte eine vertiefte Diskussion über den neuen öffentlichen Raum im Zeitalter der Digitalisierung, um sie gegen "die neuen Feinde der offenen Gesellschaft" zu verteidigen. Dabei müsse überlegt werden, wie eine fragmentierte Öffentlichkeit wieder zusammengeführt und zivilisierter Streit gefördert werden könne, der den demokratischen Diskurs in den Mittelpunkt rückte.

Einerseits sei es wichtig, großzügiger und toleranter mit anderen Meinungen umzugehen. Andererseits stelle sich die Frage, wie man demokratische Geschäftsmodelle fördern könne, ohne zu zensieren. "Wir sind bereit, beherzt einzugreifen", sagte der baden-württembergische Ministerpräsident. "Es kann nicht sein, dass wir einer Kneipe vorschreiben, wie viele Toiletten sie haben muss, aber bei der Demokratie alles laufenlassen." Der Medienkongress soll laut Gastgeber Kretschmann einen Beitrag leisten, um die tiefgreifenden Umbrüche der Medienwelt verantwortlich zu gestalten.

Gegen "Erosion der Kommunikation"

Nida-Rümelin sagte, neun von zehn Prognosen aus den 1990er-Jahren zum gesellschaftlichen Wandel durch das Netz hätten sich als falsch erwiesen. So sehe die Welt heute eine "dynamische Urbanisierung", obwohl vor 25 Jahren ein Stopp der Verstädterung durch die Vernetzung vorhergesagt worden sei.

Hysterische Erwartungen, die Menschheit werde die Konkurrenz gegen Künstliche Intelligenz verlieren und zum Sklaven der eigenen Produkte werden, erteilte Nida-Rümelin ebenso eine Absage wie Ankündigungen, mit der Digitalisierung entstehe eine "schöne, neue, saubere Welt". "Jede Form von Utopismus hat in der Vergangenheit in die politische Katastrophe geführt", sagte der ehemalige Bundeskulturstaatsminister und Ex-Kulturreferent Münchens.

Seiner Ansicht nach müsse der aktuellen "Erosion der Kommunikation" entgegengewirkt werden. Derzeit fänden im Netz falsche Behauptungen eine größere Verbreitung als zutreffende. Das Internet könne aber aufgrund geringer Kosten und der einfachen Zusammenarbeit engagierter Bürger zur einer Revitalisierung der Demokratie beitragen, sagte Nida-Rümelin.

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