Mutter und Kind essen bei der Tafel (Archivbild)
epd-bild/Udo Gottschalk
Ein AWO-Langzeitstudie zeigt, dass es den meisten Jugendlichen aus armen Familien gelingt, beim Übergang ins Erwachsenenleben die beengten materiellen Verhältnisse hinter sich zu lassen. Sie brauchen dafür aber mehr Unterstützung von außen.
06.11.2019

Die AWO fordert mehr Unterstützung für Kinder aus armen Familien beim Schritt ins Erwachsenenleben. Der Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler sagte am Mittwoch in Berlin, wenn es beim Übergang in Ausbildung und Arbeit die passenden Hilfen gebe, stiegen die Chancen der jungen Menschen, der Armut zu entkommen. Der AWO-Chef erneuerte außerdem die Forderung nach einer Kindergrundsicherung und mehr Investitionen in Bildung. Er erhielt Unterstützung von der Linken.

Stadler verwies auf eine Langzeitstudie im Auftrag seines Verbandes, die die Lebenswege von Kindern aus armen Familien im Vergleich zu nicht armen Familien untersucht hat. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ. Sie zeigen aber, dass es zwei Dritteln der jungen Menschen gelingt, die Armut hinter sich zu lassen. Die Chance eröffnet sich der Studie zufolge allerdings jedem zweiten Jugendlichen erst mit dem Verlassen des Elternhauses.

Armutserfahrungen in der Kindheit seien prägend

Von den Kindern, die 1999 in armen Familien lebten, waren gut ein Drittel im Jahr 2018 immer noch arm. Ihren Werdegang über den gesamten Zeitraum der Studie zu verfolgen, ist allerdings nur bei einer kleinen Zahl von Befragten gelungen. Gleichwohl zeige sich, dass Armutserfahrungen in der Kindheit prägend seien, sagte Studienautorin Irina Volf vom Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Sie erhöhten das Risiko, auch später mit sozialer Isolation, materiellen und kulturellen Defiziten zu kämpfen zu haben, um das Zehnfache.

Kinder, die nicht in einer armutsgefährdeten Familie groß werden, kommen hingegen auch später kaum mit Armut in Berührung. 68 Prozent hatten der Untersuchung zufolge zu keinem Zeitpunkt materielle Not erlebt.

Langzeitstudie im Auftrag der AWO

Der jugendpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norbert Müller, unterstützte die AWO-Forderung nach einer einkommensabhängigen Kindergrundsicherung und forderte eine Offensive für die Kinder- und Jugendhilfe, statt Jugendprojekte zu kürzen.

Als arm gilt der AWO-Studie zufolge, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat oder mindestens eine Sozialleistung bezieht. Das Statistische Bundesamt gibt die Armutsgefährdungsgrenze für das Jahr 2018 für eine alleinstehende Person mit 1.136 Euro im Monat an. Armut im strengeren Sinne ist gegeben, wenn einem Haushalt Geld für die Miete, Hypotheken, eine einwöchige Urlaubsreise oder das Heizen fehlt.

Die Langzeitstudie im Auftrag der AWO wurde vom Frankfurter Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) erarbeitet. Sie verfolgt über 20 Jahre die Lebensläufe von mehreren hundert Kindern, die Kindertagesstätten der AWO besucht haben. Sie sind inzwischen 25 bis 26 Jahre alt. Sie und ihre Eltern wurden in regelmäßigen Abständen befragt. Begonnen wurde 1999 mit 893 Personen, bei der letzten Befragung im vergangenen Jahr wurden von ihnen noch 205 wieder erreicht. Insgesamt fanden vier Befragungen im Abstand von vier bis neun Jahren statt.

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