Raubkunst: Diese Holzmasken hat das Ethnologische Museum Berlin 2018 an die Ureinwohner Alaskas zurückgegeben. (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Seit gut einem Jahr wird heftig über Sammlungsgüter aus kolonialem Kontext in deutschen Museen und ihre mögliche Rückgabe gestritten. Jetzt schaffen Bund und Länder eine gemeinsame Kontaktstelle zur Restitution. Kritik bleibt nicht aus.
17.10.2019

Eine zentrale Anlaufstelle soll künftig die Rückgabe von Objekten aus der Kolonialzeit vereinfachen. Auf die Einrichtung der "Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten" einigten sich die kulturellen Spitzenvertreter von Bund, Ländern und Kommunen in Berlin, wie das Auswärtige Amt am Mittwochabend mitteilte. Der Deutsche Kulturrat begrüßte am Donnerstag die neue Einrichtung, forderte aber eine stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Debatten über Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Kritik kam von internationalen Wissenschaftlern und Künstlern, darunter die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die in einem Offenen Brief in der "Zeit" eine Öffnung der Museumsinventare verlangen, um eine Rückgabe zu fördern.

Die Kontaktstelle richtet sich nach Angaben des Auswärtigen Amts besonders an Personen und Institutionen aus den Herkunftsstaaten und -gesellschaften. Diese können sich dort über Bestände von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland informieren, wie es auch aus der Wissenschaft vielfach gefordert wurde. Zahlreiche deutsche Museen und andere Institutionen arbeiteten bereits an einer Inventarisierung und Digitalisierung ihrer Bestände und stellten Daten zur Verfügung, die in die Arbeit der Kontaktstelle einfließen können, so das Auswärtige Amt.

Die Anlaufstelle soll den Angaben zufolge im ersten Quartal kommenden Jahres die Arbeit aufnehmen und organisatorisch bei der Kulturstiftung der Länder angesiedelt sein. Die Kontaktstelle wird demnach je zur Hälfte von den Ländern und vom Bund finanziert.

Restitutionen erleichtern

Der Hamburger Kultursenator und Vorsitzende der Kulturministerkonferenz Carsten Brosda (SPD) sagte, die neue Einrichtung werde als erste Anlaufstelle für Rückgabeersuchen dazu beitragen, Restitutionen zu erleichtern. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) betonte, eine zentrale Aufgabe werde es sein, Transparenz herzustellen.

Die Französin Savoy (TU Berlin), der senegalesische Ökonom Felwine Sarr und weitere Erstunterzeichner des am Donnerstag veröffentlichten Offenen Briefs sprechen dagegen von einem "Skandal", dass es trotz der seit 2018 anhaltenden Debatte noch immer keinen freien Zugang zu den Bestandslisten der öffentlichen Museen in Deutschland gebe. "Wir brauchen unbeschränkten und unkontrollierten Zugang", fordern sie. Die versprochene Arbeit an den Inventaren werde nie fertig. Aus Afrika heraus müsse eine Auseinandersetzung mit den Kulturgütern ermöglicht werden, "ohne Abhängigkeit von deutschen Partnern". Erst dann könne der Dialog beginnen.

Kulturgüter aus der Kolonialzeit zurückgeben

Savoy und Sarr hatten im November 2018 einen vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Auftrag gegebenen Bericht vorgelegt und empfohlen, Kulturgüter aus der Kolonialzeit an die Herkunftsländer zurückzugeben.

Der Geschäftsführer des Kulturrats, Olaf Zimmermann, zeigte sich erfreut über die Einrichtung der Kontaktstelle, die ein "Schritt zur Stärkung der Kulturstiftung der Länder und des gemeinsamen kulturpolitischen Auftretens der Länder" sei. Offen bleibe allerdings, was nun mit dem Fachbereich Kultur- und Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg werde. Außerdem unterstrich Zimmermann, es sei "jetzt dringend notwendig, dass die organisierte Zivilgesellschaft, die Kirchen und die Wissenschaft stärker in den Prozess mit einbezogen werden".

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