Rund eine Woche nach Beginn der türkischen Militäroffensive gegen kurdische Kämpfer wird das Leiden der Zivilbevölkerung immer sichtbarer. Mindestens 160.000 sind bislang von der Gewalt geflohen, darunter Zehntausende Kinder.
15.10.2019

Immer mehr unbeteiligte Zivilisten werden Opfer der Kämpfe im Nordosten Syriens: Jeden Tag gebe es neue Berichte über Verletzte und Tote, erklärte das UN-Menschenrechtskommissariat am Dienstag in Genf. Sie würden von Luftschlägen, Bodenbeschuss und Heckenschützen getroffen. Besonders kritisch ist die Lage der Kinder. Laut Schätzungen von Unicef mussten fast 70.000 von ihnen innerhalb weniger Tage aus der Region fliehen. Mindestens vier Kinder wurden auf der syrischen Seite der Grenze getötet, sieben auf türkischem Gebiet, wie Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore erklärte.

Seit vergangenem Mittwoch führt die Türkei eine Offensive gegen die Kurden im Nordosten Syriens. Bei dem bislang schlimmsten Angriff in der Region, einem türkischen Luftschlag auf einen Fahrzeugkonvoi am Sonntag, seien zwei Journalisten und weitere Zivilisten getötet worden, sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville. Viele Menschen seien verletzt worden.

Wasserwerk außer Betrieb

Laut Colville erhielt das Hochkommissariat zudem Berichte und Aufnahmen von Erschießungen, für die Kämpfer verantwortlich sein könnten, die mit der Türkei verbunden sind. Die UN-Menschenrechtsorganisation forderte die Türkei auf, sich an einer unabhängigen Untersuchung der Vorfälle zu beteiligen. In der Türkei seien laut den dortigen Behörden in den vergangenen Tagen 18 Menschen durch grenzüberschreitenden Beschuss getötet worden.

Unicef-Chefin Fore forderte, die Konfliktparteien und diejenigen, die Einfluss auf sie hätten, müssten Kinder jederzeit schützen. Auch die zivile Infrastruktur müsse bei Angriffen ausgespart werden. Bei den Kämpfen seien drei Gesundheitseinrichtungen und Krankenwagen sowie eine Schule beschossen worden, erklärte Fore. Zudem sei ein Wasserwerk außer Betrieb, das fast 400.000 Menschen in Al-Hassakeh mit Wasser versorge.

Mehr und mehr Vertriebene

Nach Angaben des UN-Büros zur Koordinierung humanitärer Hilfe (Ocha) sind seit dem türkischen Einmarsch mindestens 160.000 Menschen vor der Gewalt geflohen. Die meisten seien bei Verwandten und Bekannten untergekommen. Aber mehr und mehr Vertriebene fänden Zuflucht in Aufnahmelagern. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR unterstützt knapp 32.000 Geflohene mit Decken, Lampen und anderen Hilfsgütern. Das Welternährungsprogramm teilte mit, es habe an mehr als 83.000 Menschen Essensrationen verteilt.

Die türkische Militäroffensive folgte auf die Ankündigung der USA, ihre Truppen aus der Region abzuziehen. US-Streitkräfte und kurdische Einheiten hatten dort in den vergangenen Jahren gemeinsam gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gekämpft. Die Türkei betrachtet die kurdischen Kräfte im Nordosten Syriens als Terroristen. Inzwischen stellte sich laut Medienberichten das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad militärisch an die Seite der Kurden. In Syrien herrscht seit 2011 ein blutiger Konflikt, der mit Protesten gegen Assad begann.

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