Psychologe empfiehlt Berichterstattung weg vom Täter hin zur Tat

epd-bild/Georg Wittmann

Blumen und Kerzen vor Synagoge in Halle

Blumen und Kerzen vor Synagoge in Halle

Täter sollten von Medien weder dämonisiert noch glorifiziert werden, sagt der Bedrohungsforscher Mirko Allwinn im Gespräch mit dem epd. Vielversprechend sei es, "einer solchen Tat andere mächtige Bilder entgegenzusetzen".

Der Bedrohungsforscher Mirko Allwinn warnt nach Anschlägen wie in Halle vor einer Fokussierung der Medien auf die Täter. Eine nüchterne Berichterstattung befasse sich weniger mit dem Täter und mehr mit der Tat, sagte der Psychologe am Institut Psychologie und Bedrohungsmanagement in Darmstadt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das bedeute, dass der Täter weder dämonisiert noch glorifiziert und auch keine einfache Erklärung für die Tat geliefert werde, die ein möglicher Nachahmungstäter als Schablone benutzen könne.

"Es graut mir, wenn das Konterfei des Täters den Großteil einer Zeitungsseite säumt", betonte der Psychologe. Auch mit Schlagzeilen wie "der Killer-Nazi" würden Gewalttäter sprachlich überhöht. In gewaltbereiten Kreisen komme dies womöglich sogar gut an.

"Ein Gegenbild schafffen"

Allwinn räumte ein, dass es ein schmaler Grat zwischen öffentlichem Interesse und Sensationsjournalismus sei. Es sei eine natürliche Reaktion, dass Menschen über eine solche Tat möglichst viel wissen wollten. Auch sei jeder bestrebt, eine politische Einordnung zu treffen. Die traditionellen Medien sollten sich dabei auf ihre Stärken besinnen und mit Qualität kontern, mit sauber recherchierten Beiträgen. Das Festhalten an Fakten und Verbreitung im Internet seien kein Widerspruch: So habe nach einem Amoklauf in München 2016 ein Polizeisprecher in sozialen Medien die offizielle Kommunikation derart gut gemacht, dass er sogar das Netz für sich gewonnen habe.

"Vielversprechend ist es, einer solchen Tat andere mächtige Bilder entgegenzusetzen, ein Gegenbild zu schaffen", sagte der Psychologe. Dies seien etwa Bilder über einen Zusammenschluss der Menschen. Sehr gut seien auch die Diskussionen im neuseeländischen Christchurch gewesen, nachdem ein bewaffneter Gewalttäter dort Muslime angegriffen hatte. Hier sei sehr schnell sowohl die Verbreitung des Tatvideos sowie von halbautomatischen Waffen in dem Land in die Kritik geraten.

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