Ausschnitt der Webseite von Facebook (Archivbild)
epd-bild / Norbert Neetz
Die Soziologin Elke Wagner hat sich mit Pöbeleien, Shitstorms und Emotionen auf Facebook beschäftigt. So mancher Nutzer lasse sich mitreißen und überblicke nicht, was er mit seinen Worten auslösen kann, sagt Wagner.
17.09.2019

Soziale Netzwerke im Internet sind nach Ansicht der Würzburger Soziologin Elke Wagner "Affektmaschinen". Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke würden "vor allen Dingen über Emotionen richtig gut funktionieren", sagte die Professorin für Spezielle Soziologie dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag. Die berühmte Facebook-Frage "Was machst Du gerade?" suggeriere, dass man dort jederzeit alles reinschreiben könne, was man gerade denkt: "Das ist oftmals nicht wohlüberlegt oder recherchiert - es ist Bauchgefühl." Das wiederum führe oft zu einer entsprechenden Tonlage in sozialen Netzwerken.

Bei ihren Interviews mit den Nutzern sozialer Netzwerke habe sich "so etwas wie 'überraschte Autorenschaften'" beobachten lassen. "Viele Leute, die etwas posten, sind am Ende sehr überrascht über ihre potenzielle Reichweite", sagte Wagner. So mancher Nutzer lasse sich mitreißen und überblicke nicht, was er mit seinen Worten auslösen kann. Die Anonymität im Netz befördere durchaus Hatespeech. Trotzdem agierten etliche Hasskommentierer mit Klarnamen. Die Eigendynamik, die etwas unbedacht Hingeschriebenes erreichen könne, "sollte man besser nie ausblenden", sagte die Soziologin.

"Hasskommunikation ist sehr kontextabhängig"

Laut Wagner ist es schwierig vorherzusagen, wann eine "emotionalisierte Kommunikation" kippe und daraus Hatespeech werde. Automatische Filter, um diese zu löschen, seien jedoch nur bedingt geeignet, denn: "Hasskommunikation ist sehr kontextabhängig." Umgangssprache, Ironie, Jugendslang oder echten Hass "könnten Algorithmen noch nicht unterscheiden", sagte Wagner. Die derzeit schon eingesetzten Programme seien fehleranfällig und könnten dann auch die Kritiker von Hasskommentaren treffen. Das führe mitunter dazu, "dass ganze Profile tagelang gesperrt werden".

Die Soziologin sagte, Politiker, Journalisten, Wissenschaftler und Intellektuelle müssten sich daran gewöhnen, "dass sich ihre Expertise im Netz vor einem emotionalisierten Publikum bewähren muss". Fachmeinungen seien selten gefragt, es gehe eher um das Bauchgefühl: "Nun kann jeder und jede über alles sprechen, schlicht auf der Basis von Emotionen, Affekten und gefühlten Meinungen."

Wagner hat sich in ihrem neuen Buch "Intimisierte Öffentlichkeiten" mit Pöbeleien, Shitstorms und Emotionen auf Facebook beschäftigt. Eine zentrale Frage war für sie, wie aus den oft hoch emotionalen Debatten im Netz Hasskommunikation wird.

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.