Betreuung im Kreißsaal
epd-bild / Werner Krueper
Die Geburtshilfe in Deutschland ist einer Befragung unter Hebammen zufolge weit weg von einer Eins-zu-eins-Betreuung. Gefordert wird ein Sonderprogramm für mehr Personal im Kreißsaal.
12.09.2019

Die Geburtshilfe in Deutschland leidet Befragungen unter Hebammen zufolge unter großem Personalmangel. Fast die Hälfte der bundesweit interviewten Hebammen gab an, sich um drei Frauen gleichzeitig während der Geburt zu kümmern. Das geht aus einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hervor. Die medizinischen Fachgesellschaften für die stationäre Geburtshilfe empfehlen dagegen eine Eins-zu-eins-Betreuung.

In den zwei neuen Gutachten, die dem epd vorliegen, beleuchtete der Wissenschaftliche Dienst die Arbeitsbedingungen von Hebammen. Zuerst hatte die "Neue Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag) darüber berichtet. Auch der Deutsche Hebammverband beklagt die schlechten Arbeitsbedingungen für Hebammen und die mangelhafte Versorgung der Gebärenden.

Persönlich zugewandte Betreuung "eher Glücksfall als Regel"

Frauen und Neugeborene seien im Kreißsaal zunehmend nur noch unzureichend versorgt, sagte die Präsidentin Ulrike Geppert-Orthofer dem epd: "Eine stetige und persönlich zugewandte Betreuung von Frauen während der Geburt ist in Deutschland mittlerweile eher ein Glücksfall als die Regel." Teils betreue eine einzelne Hebamme fünf oder mehr Gebärende gleichzeitig. Die Geburtshilfe sei seit Jahren unterfinanziert, der Personalmangel steige. Die in Deutschland gerade erst eingeleitete Akademisierung des Hebammenberufes könne dessen Attraktivität erhöhen.

Geppert-Orthofer forderte zusätzlich entschiedene politische Maßnahmen wie ein Hebammen-Sonderstellenprogramm für mehr Personal im Kreißsaal. Zudem verlangte sie eine bessere ambulante Notfallversorgung von werdenden Müttern, um das Personal im Kreißsaal zu entlasten. Hebammen müssten von fachfremden Tätigkeiten befreit und in ihren Kernkompetenzen für die direkte Betreuung der Frauen und Neugeborenen eingesetzt werden. "Zukünftig muss jeder gebärenden Frau eine Hebamme während der Geburt zur Seite stehen."

Fehlende Hebammen und zu wenig Geld

In Sachsen mussten laut Gutachten in Intensiv-Schichten 30 Prozent der Hebammen mehr als vier Gebärende betreuen. In Baden-Württemberg müssen Klinik-Hebammen regelmäßig zwei oder mehr Geburten gleichzeitig überwachen. In Bayern haben den Angaben zufolge nur sechs von 100 Frauen eine Hebamme für sich und ihr Neugeborenes.

Um den Betreuungsschlüssel zu verbessern, "fehlten schlichtweg die Hebammen", heißt es in einem der Gutachten. Um freie Stellen zu besetzen, bräuchten die Kliniken oft ein halbes Jahr oder noch länger. Klagen über Überlastung gebe es aus allen untersuchten Bundesländern.

"Die Ergebnisse der Gutachten sind erschreckend", sagte Sabine Zimmermann (Linke), Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Hebammen würden durch die schlechten Arbeitsbedingungen in die Teilzeit oder ganz aus dem Beruf getrieben.

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