Eine Frau hilft ihrer pflegebedürftigen Mutter beim Anziehen von Trombosestrümpfen. (Symbol)
epd-bild / Jörn Neumann
Erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern sollen künftig nicht mehr fürchten müssen, dass das Sozialamt bei ihnen anklopft und einen Teil der Leistungen für die Eltern zurückverlangt. Künftig sollen nur Spitzenverdiener zahlen.
14.08.2019

Erwachsene Kinder pflegebedürftiger Eltern sollen künftig in aller Regel nicht mehr herangezogen werden, wenn die Eltern Sozialhilfe bekommen. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch in Berlin einen Gesetzentwurf von Bundesarbeits- und -sozialminister Hubertus Heil (SPD), wonach erwachsene Kinder erst ab einem Brutto-Jahreseinkommen von 100.000 Euro einen Teil der Hilfe zur Pflege für die Eltern zurückzahlen müssen.

Mit dem Gesetz werden auch Eltern volljähriger behinderter Kinder finanziell bessergestellt. Sozial- und Wohlfahrtsverbände begrüßten das Gesetz, während die Kommunen kritisierten, dass sie noch mehr Belastungen zu tragen hätten.

Heil sagte nach dem Kabinettsbeschluss, die Pflegeversicherung sei "keine Vollkasko". Daher seien viele pflegebedürftige Menschen auf Hilfe zur Pflege vom Sozialamt angewiesen. Dass die Sozialämter wiederum auf die erwachsenen Kinder zurückgreifen könnten, führe zu Unfrieden und finanziellen Risiken für die arbeitende Mitte der Gesellschaft. Dies seien Menschen in der mittleren Generation, die jeden Tag arbeiteten, die zum Teil kleine Kinder erzögen und gleichzeitig erlebten, dass ihre Angehörigen pflegebedürftig würden, sagte Heil.

Angehörige mit geringem Einkommen sollen geschützt werden

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unterstützte Heils Entwurf. "Gutverdiener wie ich sind in der Lage, auch finanziell zur Pflege in der Familie beizutragen", sagte er. "Aber Angehörige mit geringerem Einkommen schützen wir nun zukünftig vor Überforderung."

Dem Gesetzentwurf zufolge werden mit Inkrafttreten der neuen Regelungen die Angehörigen von rund 55.000 alten Menschen entlastet, von denen die meisten Hilfe zur Pflege beziehen. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach angesichts der geringen Zahl von "reiner Symbolpolitik". Den allergrößten Teil der Milliardenausgaben für die Hilfe zur Pflege trügen die Kommunen und damit die Steuerzahler, rechnete Brysch vor. Die Koalition müsse vielmehr dafür sorgen, dass Pflegebedürftige gar nicht erst auf Sozialleistungen angewiesen seien.

Stärker wird sich das Gesetz bei den Sozialleistungen für erwachsene behinderte Kinder auswirken. Laut Entwurf können 220.000 Familien damit rechnen, dass sie die pauschalen Zuzahlungen zur Eingliederungs- oder Sozialhilfe für die volljährigen Kinder künftig nicht mehr aufbringen müssen. Insgesamt rechnet Heil mit Kosten von zunächst rund 300 Millionen Euro jährlich, die bei den Kommunen anfallen.

Kommunen befürchten Zusatzbelastungen in Milliardenhöhe

Der Städte- und Gemeindebund befürchtet hingegen Zusatzbelastungen in Milliardenhöhe. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch), es dürfe nicht daran gerüttelt werden, dass Eltern und Kinder füreinander einstehen. Der Gesetzentwurf braucht noch die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, wo die Länder Kritik anmelden könnten. Heil zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Länder zustimmen.

Der Arbeitsminister setzt mit dem Gesetz eine Vereinbarung von Union und SPD aus dem Koalitionsvertrag um. Wenn Pflegebedürftige Anspruch auf Sozialleistungen haben, können die Sozialämter einen Teil von den erwachsenen Kindern zurückfordern. Dabei werden ihnen Freibeträge gewährt, die sich nach ihrem Einkommen und der Lebenssituation richten. Künftig würden nur noch Spitzenverdiener Rückzahlungen leisten. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte, die Einkommensgrenze von 100.000 Euro gelte für jedes einzelne erwachsene Kind. Das Einkommen von Ehepartnern werde nicht mit einbezogen.

Die Diakonie Deutschland, der Deutsche Caritasverband, der Paritätische und der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie der Sozialverband VdK begrüßten das Gesetz. Diakonie-Vorstand Maria Loheide sagte, alte Menschen hätten oft die Sorge, dass sie ihren Kindern mit ihrer Pflegebedürftigkeit zur Last fallen. Die Angehörigen müssten nun keine finanziellen Belastungen mehr fürchten.

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