Laut einer Studie werden Redaktionen immer häufiger von Anwälten unter Druck gesetzt (Archivbild)
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Redaktionen werden laut einer Studie immer häufiger von Anwälten unter Druck gesetzt. Allerdings bleiben presserechtliche Warnschreiben meist wirkungslos.
08.08.2019

Die Autoren einer Studie zu neuen Anwaltsstrategien gegenüber Medien warnen vor einer strukturellen Verschiebung des Presserechts zugunsten von Prominenten und Unternehmen. Immer häufiger komme es vor, dass Redaktionen von Anwälten unter Druck gesetzt würden, heißt es in der am Donnerstag in Berlin vorgestellten Untersuchung der Gesellschaft für Freiheitsrechte und der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung. Presserechtliche Informationsschreiben, mit denen Anwälte im Auftrag ihrer Mandanten unliebsame Berichterstattung noch vor der Veröffentlichung verhindern oder beeinflussen wollen, blieben allerdings häufig wirkungslos.

"Selbst wenn manche Kanzleien verstärkt dieses Mittel wählen sollten, gehen Medien deshalb nicht automatisch auf breiter Front in die Knie", heißt es in der Studie. Presserechtliche Informationsschreiben hätten lediglich im Boulevard-Journalismus ihre "Nische" gefunden, in anderen Medienbereichen seien sie hingegen "fast bedeutungslos".

"Schreiben sind rechtlich nicht bindend"

"Ein presserechtliches Informationsschreiben ist der alleinige Hinweis, dass eine mögliche Berichterstattung rechtswidrig sein könnte", erklärte der Medienrechtler und Mitautor der Studie, Tobias Gostomzyk. "Diese Schreiben sind rechtlich nicht bindend und können von den Redaktionen ignoriert werden", so Gostomzyk. Der Bundesgerichtshof hatte im vergangenen Januar entschieden, dass presserechtliche Informationsschreiben unzulässig sind, wenn sie keine konkreten Informationen zu möglichen Persönlichkeitsverletzungen durch geplante Presseberichte enthalten. (AZ: VI ZR 506/17)

Besonders überregionale Medien im Bereich des Investigativjournalismus und der Promi-Berichterstattung kämen mit presserechtlichen Informationsschreiben in Kontakt, schreiben die beiden Autoren der Studie, Tobias Gostomzyk von der TU Dortmund und der Journalist Daniel Moßbrucker. Im investigativen Journalismus führe dieses Mittel jedoch meist "zu einer nochmals intensiveren Recherche oder juristischen Unterstützung vor Veröffentlichung entsprechender Berichte". Einzig im Boulevard-Journalismus wägen die Redaktionen laut Studie oftmals wirtschaftlich ab, ob eine Berichterstattung in Kauf genommen werden soll. Regionalverlage und freie Journalisten hörten im Gegensatz dazu weiterhin vor allem nach einer Veröffentlichung von den Anwälten der Gegenseite.

Anwälte "dealen" mit Informationen

Kritisch betrachten die Autoren auch die Entwicklung, dass viele Anwälte mit Informationen "dealen" würden, um eine aus Sicht der Betroffenen angenehmere Berichterstattung zu ermöglichen. "Da werden alternative Informationen angeboten, mit dem Hinweis, dass man ja diese veröffentlichen könne, ohne verklagt zu werden. Hier werden Informationen also tatsächlich getauscht", sagte Moßbrucker.

Problematisch sei zudem auch die Tatsache, dass immer weniger Medienunternehmen zu kostenintensiven Gerichtsprozessen bereit seien, wie Juristin Sarah Lincoln bemängelte: "Vorschnelle Unterlassungserklärungen gefährden nicht nur eine kontinuierliche kritische Berichterstattung, sondern führen auf lange Sicht auch zu einer Verschiebung des Presserechts zulasten der Pressefreiheit." Daniel Moßbrucker empfiehlt deshalb, dass sich Medien dazu verpflichten lassen sollten, "Verfahren von grundsätzlicher Bedeutung höchstrichterlich gerichtlich klären zu lassen", um so die Pressefreiheit zu stärken.

Für die Studie führten Gostomzyk und Moßbrucker Leitfaden-Interviews mit 20 Presserechtsanwälten und 42 Journalisten. Hinzu kamen Online-Umfragen bei 63 Fachanwälten im Urheber- und Medienrecht sowie Justiziaren von 22 Medienunternehmen.

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