Der Medienrummel um Kapitänin Carola Rackete in Agrigent war groß. Sie selbst äußerte sich nicht zur Gerichtsbefragung. Sie erneuerte allerdings ihre Forderung an die EU, endlich zu klären, wie die Bootsflüchtlinge verteilt werden könnten.
18.07.2019

Die Kapitänin des Seenotrettungsschiffs "Sea-Watch 3", Carola Rackete, appelliert an die EU, die im südlichen Mittelmeer geretteten Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedsländer zu verteilen. "Ich hoffe, dass die EU-Kommission das Mögliche tut, um diese Situationen künftig zu vermeiden und dass alle Länder von zivilen Schiffen Gerettete aufnehmen", sagte sie am Donnerstag nach einer Vernehmung in Agrigent. Vor dem Gericht in der sizilianischen Stadt war sie erneut zum Hergang der Rettung von Flüchtlingen vor der libyschen Küste und zum unerlaubten Einlaufen ihres Schiffs in den Hafen von Lampedusa befragt worden. Italien wirft der 31-Jährigen Beihilfe zur illegalen Einwanderung vor.

Racketes Anhörung war von einem großen Medienaufgebot begleitet. Wortlos und sichtlich bewegt hatte sie am Morgen das Gerichtsgebäude betreten. Im Anschluss an die vierstündige Vernehmung machte sie keine Angaben zu deren Inhalten. Auf die Frage, was sie über den italienischen Innenminister Matteo Salvini denke, den sie wegen Verleumdung und Anstachelung zu Hass verklagt hatte, antwortete sie lediglich: "Nichts". Ihre Anwälte hatten die Klage mit zahlreichen Zitaten aus Salvinis Twitter- und Facebook-Konten untermauert. Der Minister hatte sie wiederholt als Kriminelle und Piratin bezeichnet. Das Gericht dürfte in den kommenden Wochen entscheiden, ob es zum Prozess gegen Rackete kommt.

Mannschaftswechsel auf der "Sea-Watch 3"

Rackete wurde auch zum Vorwurf angehört, Anordnungen eines Kriegsschiffs nicht Folge geleistet zu haben. Im Fall einer Verurteilung in allen Anklagepunkten droht ihr eine hohe Haftstrafe. Nach Angaben ihres Anwalts Alessandro Gamberini ist Rackete nicht mehr Kapitänin der "Sea-Watch 3", da es einen Mannschaftswechsel gab.

Bei einer ersten Anhörung am 2. Juli hatte eine Untersuchungsrichterin den Vorwurf, die Kapitänin habe beim unerlaubten Anlegen Widerstand und Gewalt gegen ein Kriegsschiff angewendet, als weniger schwerwiegend als die Notwendigkeit erachtet, die geretteten Flüchtlinge in einen sicheren Hafen zu bringen. Daraufhin war Rackete aus dem nach ihrer Anlandung verhängten Hausarrest entlassen worden und hatte sich an einen geheimen Ort auf Sizilien zurückgezogen.

Rackete verlangte die Evakuierung aller in Libyen internierten Flüchtlinge

Die Staatsanwaltschaft von Agrigent legte gegen die Freilassung Berufung vor dem römischen Kassationshof ein. Damit will sie klären, wie Italien mit Seenotrettungsschiffen umgehen kann, die trotz Verbots in italienische Gewässer einfahren. Rackete selbst hatte in Interviews unter anderem die Evakuierung aller in Libyen internierten Flüchtlinge in ein sicheres Land verlangt. Die Innenminister der EU konnten sich unterdessen bei ihrem Treffen in Helsinki nicht auf einen Notfallmechanismus einigen und vertagten das Thema auf September.

Die "Sea-Watch 3" hatte am 12. Juni 53 Bootsflüchtlinge aufgenommen. Nach tagelangem Tauziehen entschied Rackete unter Berufung auf die Notsituation an Bord, den Hafen von Lampedusa in der Nacht zum 27. Juni anzusteuern. Unmittelbar nach dem Anlegen wurde sie unter Hausarrest gesellt, die "Sea-Watch 3" beschlagnahmt. In der Folge kam es vor allem in Deutschland zu Protesten. Hilfsorganisationen forderten ein Ende der Kriminalisierung der privaten Seenotrettung.

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