Sea-Watch bei einem Einsatz vor der libyschen Küste (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Vor zwei Wochen nahm die "Sea-Watch 3" Dutzende Flüchtlinge an Bord, am Dienstag scheiterte ein neuer Anlauf vor Gericht, das Anlegen in Europa zu erzwingen. Daraufhin entschloss sich die Mannschaft zu einem womöglich folgenreichen Schritt.
26.06.2019

Trotz fehlender Erlaubnis zum Einlaufen hat das Rettungsschiff "Sea-Watch 3" nach Angaben der Organisation am Mittwoch die italienische Küste angesteuert. Das Schiff mit noch 42 Flüchtlingen an Bord habe sich angesichts der verzweifelten Lage der vor zwei Wochen geretteten Menschen gezwungen gesehen, gegen Mittag in italienische Hoheitsgewässer einzufahren, teilte die in Berlin ansässige gemeinnützige Initiative mit. Damit riskieren die Retter, dass ihr Schiff festgesetzt und sie selbst strafrechtlich verfolgt werden.

Eilantrag abgelehnt

Keine europäische Institution sei bereit, die Verantwortung zu übernehmen, beklagten die Retter. Nachdem ein Eilantrag der "Sea-Watch 3" vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstagabend gescheitert sei, habe sich die Lage der Menschen schlimmer denn je dargestellt.

"Wir hatten schon die ganze Zeit die Situation, dass Menschen über Bord springen wollten", sagte Sprecher Ruben Neugebauer dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die EGMR-Entscheidung habe die Situation weiter verschärft. Die Seenotretter hatten beantragt, die aufgenommenen Flüchtlinge in Italien an Land bringen zu dürfen. Laut EGMR rechtfertigt die aktuelle Situation an Bord des Schiffes aber keinen Zwang gegen das Land.

"Keine anderen Optionen mehr"

"Wir entern italienisches Gewässer, weil wir keine anderen Optionen mehr haben, um die Sicherheit unserer Gäste zu gewährleisten, deren grundlegenden Rechte lange genug verletzt worden sind", erklärte der Sea-Watch-Vorsitzende Johannes Bayer nach dem Gerichtsbeschluss. "Wir haben Menschen an Bord, die Gräuel in Libyen durchgemacht haben, die schwer gefoltert wurden, aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, muss jede aus See gerettete Person dem Gesetz zufolge an einen sicheren Ort gebracht werden."

Die "Sea-Watch 3" hatte am 12. Juni 53 Menschen in Seenot aus dem Mittelmeer gerettet. Einige wurden als medizinische Notfälle von Bord gebracht. Die anderen harrten in ungewisser Lage vor der Insel Lampedusa aus.

Salvini bekräftigt harte Haltung

Der italienische Innenminister Matteo Salvini bekräftigte am Mittwoch seine harte Haltung. Italien werde keine Form von Kriminalität dulden. "Wer Fehler macht, wird zahlen", betonte Salvini auf Twitter hinsichtlich der vor kurzem beschlossenen Strafen für die Besatzung von Schiffen mit Flüchtlingen, die Italien ohne Genehmigung anlaufen. Europa sei wie üblich "abwesend".

Der stellvertretende Ministerpräsident forderte das Schiff ferner auf, nach Tunesien zu fahren. Dort herrsche kein Krieg. Schiffe, die Migranten an Bord nähmen, müssten den nächstgelegenen Hafen ansteuern. Weiter erklärte der Politiker von der Rechtspartei Lega Nord, wer tatsächlich vor Krieg fliehe, gelange über humanitäre Korridore per Flugzeug nach Europa. Wer Schleusern für die Überfahrt 3.000 Dollar zahle und damit Menschen-, Waffen- und Drogenhandel fördere, könne nicht nach Italien einreisen.

Kritik an Kriminalisierung von Seenotrettung

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, drängte dagegen mit Blick auf die "Sea-Watch", die Kriminalisierung der Seenotretter zu beenden. "Das, was da passiert, ist ein moralischer Skandal", sagte Bedford-Strohm am Mittwoch in Berlin. Die EKD prüfe derzeit eine Resolution, die auf dem Kirchentag verabschiedet worden war. Der EU-Abgeordnete Sven Giegold (Grüne) hatte eine Petition aufgesetzt, die fordert, dass die EKD ein eigenes Schiff ins Mittelmeer entsendet. Die Europapolitik-Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Franziska Brantner, nannte die drohenden Strafen für die "Sea-Watch"-Crew ein Armutszeugnis für die europäische Solidarität.

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