Justitia (Archivbild)
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Die konkret bestehende Suizidgefahr einer überschuldeten Eigentümerin kann die Zwangsversteigerung ihres Hauses verhindern.
23.05.2019

Es stelle eine Verletzung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit dar, wenn ein Gericht diesen Tatbestand nicht ausreichend prüft und zugleich Schritte gegen den angedrohten Suizid sichergestellt hat, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. (AZ: 2 BvR 2425/18)

Im konkreten Fall ging es um eine 53-jährige überschuldete Frau aus dem Raum Bitterfeld. Wegen noch offener Forderungen von knapp 24.000 Euro sollte ihr Haus mitsamt des Grundstück zwangsversteigert werden. Die Frau war mit dieser Situation vollkommen überfordert und sagte vor Gericht aus, sie werde sich womöglich umbringen.

Suizidhandlung sehr wahrscheinlich

Das Amtsgericht ließ das Haus im März 2017 dennoch versteigern. Das übergeordnete Landgericht Dessau-Roßlau stellte dagegen die Zwangsvollstreckung vorläufig ein und erbat die Stellungnahme einer psychiatrischen Sachverständigen.

Die Gutachterin erklärte, dass eine Suizidhandlung sehr wahrscheinlich sei. Sie empfahl deshalb für die Frau eine ambulante psychiatrische Behandlung. Wenn diese Therapie nicht helfe, sei eine stationäre Behandlung zu empfehlen, so die Gutachterin.

Das Landgericht wies die Beschwerde der Frau gegen die Zwangsversteigerung ihrer Immobilie im September 2018 zurück. Begründung: Der akuten Suizidgefahr könne mit einer vorübergehenden Unterbringung in der Psychiatrie begegnet werden.

Gegen das Grundrecht auf Leben

Doch dieses Vorgehen verstößt laut Bundesverfassungsgericht gegen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. In besonders gelagerten Fällen dürfe die Zwangsvollstreckung für einen längeren Zeitraum oder in absoluten Ausnahmefällen auf unbestimmte Zeit eingestellt werden, befand das Gericht.

Gerichte müssten angeführten schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen "besonders sorgfältig" nachgehen und sicherstellen, dass tatsächlich von Behörden und Betreuungsgerichten rechtzeitig Vorkehrungen gegen einen drohenden Suizid getroffen werden. Der bloße Verweis auf die Möglichkeit einer Unterbringung reiche nicht aus, hieß es.

Zudem habe das Landgericht nicht beachtet, dass die Gutachterin zunächst eine ambulante Hilfe und erst im zweiten Schritt eine zwangsweise Unterbringung in der Psychiatrie empfohlen hatte. Das Landgericht muss nun neu über den Fall entscheiden.

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