Kinder werden von Erwachsenen geschützt. Ist eine Impfung daher als Pflicht zu sehen?
epd-bild / Jens Schulze
Der Deutsche Ethikrat hält es für verfehlt, wie aktuell über eine Pflicht zur Impfung von Kindern gegen Masern diskutiert wird. Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin ließ dagegen Sympathien für eine Impfpflicht erkennen.
24.04.2019

In Deutschland reißt die Debatte um eine Impfpflicht bei Masern nicht ab. Zu Beginn der Europäischen Impfwoche am Mittwoch äußerte der Deutsche Ethikrat Kritik an der Diskussion. Die Verkürzung auf eine Pflicht für Kinder sei verfehlt, heißt es in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung des Ethikrats. Die Wissenschaftler beklagen darin zudem eine "Unschärfe" des Begriffs Impfpflicht, da unklar sei, wie sie durchgesetzt werden solle. Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin ließ dagegen Sympathien für eine Impfpflicht erkennen.

In Ländern wie Frankreich und Italien gebe es eine gesetzliche Pflicht zur Impfung unter anderem gegen Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung, Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken, heißt es in einer Erklärung des Dachverbands. Dabei habe sich gezeigt, dass die Zahl der daran jeweils erkrankten Kinder dort deutlich geringer sei als in Ländern, die auf Freiwilligkeit setzen.

Dauerhafte Immunisierung

Nur bei einer vollständigen Impfung als Voraussetzung für den Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen sei es möglich, das Ziel des Nationalen Aktionsplans zu erreichen, Masern bis 2020 in Deutschland dauerhaft zu eliminieren, sagte der Generalsekretär Hans-Iko Huppertz. Er kritisierte Impfgegner, die Eltern verunsicherten. Sie gefährdeten ihre Kinder, wenn sie nicht oder nur vollständig impfen ließen. Zudem sei nur bei einer hohen Impfrate gewährleistet, dass auch Kinder, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, indirekt über den sogenannten Herdenschutz vor lebensgefährlichen Krankheiten geschützt werden, betonte Huppertz.

Viele Immunisierungen sind erst nach einer zweiten oder mehrmaligen Impfung ein wirksamer Schutz. Der Ethikrat beklagt in seiner Stellungnahme, dass die Datenlage dazu in der aktuellen Debatte nicht hinreichend berücksichtigt werde, Die Quote bei Erst-Impfungen in Deutschland zum Zeitpunkt der Einschulung liege bei 97,1 Prozent, führt der Ethikrat aus. Probleme entstünden durch die unzureichende Quote von 92,9 Prozent bei den Zweit-Impfungen, die für eine dauerhafte Immunisierung nach Einschätzung der Impf-Experten nötig sind. Der sogenannte Gemeinschaftsschutz, bei dem auch nicht-geimpfte Personen mitgeschützt sind, liegt bei einer Quote von 95 Prozent.

Kritik an Fokussierung auf Kinder

Ein Fokussierung auf Kinder ist nach Ansicht des Ethikrats verkürzt, weil fast die Hälfte aller an Masern Erkrankten in Deutschland Erwachsene seien. Maßnahmen mit dem Ziel, die Impfquote zu erhöhen, müssten sie mit einbeziehen, fordert das Gremium. Zudem fordert es eine Präzisierung der Gestaltung der Impfpflicht, weil nur bei Betrachtung der angedachten Strafen eine ethische und rechtliche Abwägung möglich sei: "Denkbare Sanktionen wären je nach Adressaten etwa Bußgelder, Ausschluss aus Kindertagesstätten oder Schulen, Einschränkungen der ärztlichen Berufsfreiheit oder sogar körperliche Zwangseingriffe."

Der Ethikrat will nach eigenen Angaben noch vor der im Juli beginnenden Sommerpause des Bundestages eine umfangreichere Stellungnahme zu dem Thema vorlegen. Zu den Befürwortern einer Impfpflicht gehört unter anderen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dessen Mitarbeiter derzeit die Einführung einer Impfpflicht prüfen. Konkrete Vorschläge will Spahn im Mai vorlegen, sagte eine Ministeriumssprecherin am Mittwoch in Berlin.

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