Organ-Explantation (Archivbild)
epd-bild / Annette Zoepf
Die Debatte im Bundestag über eine Neuordnung der Organspende wird konkreter. Die Befürworter der Widerspruchsregelung präsentierten am Montag ihren Entwurf. Ihr Plan stößt auf Kritik, auch die Ärzteschaft ist gespalten.
01.04.2019

In der Debatte um eine mögliche Reform der Organspende in Deutschland liegt ein erster konkreter Entwurf auf dem Tisch. Eine fraktionsübergreifende Abgeordnetengruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach stellte am Montag in Berlin ihre Pläne für die sogenannte Widerspruchsregelung vor. Danach soll künftig prinzipiell jeder Organspender sein, der zu Lebzeiten nicht einen gegenteiligen Wunsch dokumentiert oder seinen Angehörigen mitgeteilt hat.

Die Gruppe setzt darauf, dass diese Regelung die Zahl der Organspender erhöhen wird. Umfragen zufolge liegt die Zahl der Menschen mit Spendeausweis deutlich unter der Zahl derjenigen, die erklären, nach ihrem Tod Organe spenden zu wollen. Lauterbach zufolge stehen derzeit mehr als 9.000 Menschen auf der Warteliste für ein Organ. Die Widerspruchsregelung sei die einzige Möglichkeit, die Zahl der Transplantationen zu erhöhen. Sie sei unbürokratisch, ethisch unbedenklich, effizient und sicher.

Der Entwurf sieht die Einführung eines Registers vor, in dem jeder Bürger eintragen lassen kann, ob er der Organentnahme widerspricht oder spenden will. Liegt kein Eintrag vor, werden die Angehörigen gefragt, ob ihnen ein der Organspende entgegenstehender Wille des Verstorbenen bekannt ist.

Entwurf stößt auf Kritik

Ist das nicht der Fall, können Organe entnommen werden. Durch die Befassung der Angehörigen nennen Spahn und Lauterbach ihren Plan "doppelte Widerspruchslösung". Ein Veto-Recht haben die Angehörigen aber nicht. Entscheidend sei der Wille des möglichen Organ- und Gewebespenders, heißt es in dem Entwurf. Dem nächsten Angehörigen "steht folglich kein eigenes Entscheidungsrecht zu".

Damit stößt der Entwurf auf Kritik. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, bezeichnete den Ausschluss eines Widerspruchsrechts der Angehörigen am Montag im Deutschlandfunk als "Übergriffigkeit". Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte es als falsch, die Angehörigen bei der ethischen Entscheidung auszuschließen. "Schweigen bedeutet nicht Zustimmung", sagte er.

Kritik kommt auch aus den Kirchen. "Ich halte den Weg der Widerspruchsregelung für falsch", sagte der evangelische hannoversche Landesbischof Ralf Meister. Die Vorsitzende des Dachverbands Evangelische Frauen in Deutschland, Susanne Kahl-Passoth, bezeichnete den Gesetzentwurf als "Paradigmenwechsel und eine Pervertierung des Spende-Gedankens". Das katholische Bistum Essen erklärte, zum Recht auf Selbstbestimmung jedes einzelnen Menschen zähle auch die Möglichkeit, eine Entscheidung bewusst offenzuhalten.

Ärzteschaft gespalten

Die Ärzteschaft scheint bei dem Thema gespalten. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, begrüßte die Widerspruchsregelung, weil sich Menschen bewusst mit der Frage auseinandersetzen müssten, ob sie spenden wollen oder nicht, wie er erklärte. Die Vize-Präsidentin der Kammer, Martina Wenker aus Niedersachsen, lehnte dagegen die Widerspruchsregelung ab. "Für mich ist eine Spende nur dann eine Spende, wenn sie freiwillig geschieht", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Eine Widerspruchslösung wird möglicherweise bestehende Ängste einzelner Menschen, sich mit dem eigenen Tod beschäftigen zu müssen, eher verstärken."

Flankiert werden soll die Neuregelung im Fall einer Mehrheit im Bundestag mit einer breiten Informationskampagne. Den Entwurf haben bislang zehn Abgeordnete von Union, SPD und Linken unterzeichnet, darunter auch Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD).

Eine Gruppe um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und den CSU-Abgeordneten Stephan Pilsinger hat einen Konkurrenzentwurf angekündigt, nach dem künftig alle Bürger bei der Ausstellung ihres Personalausweises zu ihrer Spendebereitschaft befragt werden sollen. Derzeit gilt in Deutschland die sogenannte Entscheidungsregelung, bei der die Spendebereitschaft vor allem über den Organspendeausweis dokumentiert oder bei den Hinterbliebenen erfragt wird.

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.