Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Archivbild)
epd-bild/Norbert Neetz
Weil die Zahl der Fehltage wegen psychischer Probleme sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt hat, sieht die Bundesregierung Unternehmen in der Pflicht. Die Linke fordert mehr staatliches Engagement.
26.03.2019

Die Zahl der Krankentage wegen psychischer Probleme hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Sie stieg von rund 48 Millionen im Jahr 2007 auf 107 Millionen im Jahr 2017, wie es in einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Linken-Anfrage heißt, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Die daraus entstehenden wirtschaftlichen Ausfallkosten stiegen demnach im selben Zeitraum von 12,4 auf 33,9 Milliarden Euro.

Die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag) hatten zuerst darüber berichtet. Die Zahlen basieren auf Sozialversicherungsdaten und Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Daten für 2018 liegen noch nicht vor.

Psychisch bedingte Krankheitstage

Männer kamen nach Angaben des Arbeitsministeriums auf eine deutlich höhere Zahl an psychisch bedingten Krankheitstagen als Frauen, ältere Beschäftigte meldeten sich häufiger krank als jüngere. Die meisten Krankentage aus psychischen Gründen verzeichneten 2017 Männer zwischen 60 und 65 Jahren (434 Ausfalltage auf 100 Versicherte).

Am untersten Ende der Skala lagen Frauen zwischen 15 und 20 Jahren mit 21 Ausfalltagen auf 100 Versicherte. Grundsätzlich aber seien bei beiden Geschlechtern und in allen Altergruppen die Krankentage in der Diagnosegruppe psychische und Verhaltensstörungen zwischen 2008 und 2017 gestiegen, hieß es.

Rentenzugänge aufgrund psychischer Störung

Laut Ministerium stieg zwischen 2007 und 2017 auch die Zahl der Renteneintritte wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund psychischer Störungen von rund 53.900 auf mehr als 71.300. Dies bedeute ein Plus von 32,3 Prozent. Während der Anteil der Rentenzugänge aufgrund psychischer Störung an allen Rentenzugängen im Jahr 2007 noch bei 33,4 Prozent lag, stieg er 2017 auf 43 Prozent. Im Vergleich zu 1997 mit einem Anteil von 20,7 Prozent ist dem Arbeitsministerium zufolge bis 2017 sogar mehr als eine Verdoppelung zu verzeichnen.

Die Bundesregierung verweist vor allem auf das Gesundheits- und Sozialwesen sowie das Gastgewerbe als Bereiche, die besonders von psychischen Arbeitsanforderungen betroffen seien. Dazu zählten ein starker Termin- und Leistungsdruck sowie die Anforderung, verschiedene Arbeiten gleichzeitig zu betreuen und mit hohem Tempo zu arbeiten.

Der Anteil der Beschäftigten, für die bis 2015 eine Gefährdungsbeurteilung psychische Belastungen durchgeführt wurde, nehme mit der Größe des Betriebes zu. In Betrieben unter zehn Beschäftigten liege der Anteil bei 15 Prozent, in Betrieben mit über 250 Beschäftigten bei 70 Prozent. Dabei dokumentieren Betriebe, bei welchen Tätigkeiten die Gesundheit der Mitarbeiter gefährdet werden und welche Gegenmaßnahmen ergriffen werden könnten.

Arbeitgeber in der Pflicht

Die Bundesregierung sieht bei der Bekämpfung der Stressfaktoren in erster Linie die Arbeitgeber in der Pflicht: Gegen psychische Belastungen würden keine neuen Arbeitsschutzregeln helfen, erklärte das Ministerium. Ziel müsse es vielmehr sein, Betriebe und Beschäftigte zu befähigen, das vorhandene Arbeitsschutzinstrumentarium zu nutzen, um Gesundheitsrisiken durch psychische Belastungen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Die arbeitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jutta Krellmann, kritisierte, diese Haltung grenze an "vorsätzliches Staatsversagen". Viele Arbeitgeber würden auf Verschleiß fahren, sagte Krellmann. "Beschäftigte werden über ihre Belastungsgrenze getrieben." Auch der ökonomische Schaden werde immer größer. Die Linke forderte eine staatliche Anti-Stress-Verordnung und flächendeckende Arbeitsschutzkontrollen.

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