Deutschland gibt im Jahr 2018 menschliche Gebeine an Namibia zurück (Archivbild)
epd-bild/Christian Ditsch
Der Deutsche Kulturrat hat das Bund-Länder-Papier zum Umgang mit kolonialem Erbe begrüßt, hält es aber noch nicht für ausreichend.
14.03.2019

Die Eckpunkte zum Umgang mit kolonialem Erbe, auf die sich Bund, Länder und Kommunen verständigt haben, sind auf ein überwiegend positives Echo gestoßen. Der Deutsche Kulturrat begrüßte das Papier, das am Mittwochabend nach der ersten Sitzung der neu geschaffenen Kultur-Ministerkonferenz (Kultur-MK) präsentiert wurde, hält es allerdings noch nicht für ausreichend. Darin wird eine generelle Bereitschaft zur Rückgabe unrechtmäßig erworbener Artefakte erklärt.

Wichtig sei die Klarstellung, dass koloniales Unrecht nicht vergessen werden dürfe, erklärte der Kulturrat am Donnerstag in Berlin. Auch die im Papier getroffene Unterscheidung der Aufarbeitung von NS-Raubkunst sei positiv zu bewerten, ebenso die Entscheidung, der Rückgabe von menschlichen Überresten Vorrang einzuräumen. Letzeres hatten die Kulturminister zugesichert. Zur Abgrenzung vom Umgang mit NS-Raubkunst heißt es in den Eckpunkten: Der Holocaust sei präzedenzlos und unvergleichlich. Die Bemühungen zur Aufarbeitung des NS-Unrechts würden nicht reduziert.

Koloniale Strukturen lebten weiter

Die kulturellen Spitzenvertreter von Bund, Ländern und Kommunen erklärten in den Eckpunkten generell ihre Bereitschaft zur Rückführung von Kulturgütern aus kolonialen Kontexten, "deren Aneignung in rechtlich und/oder ethisch heute nicht mehr vertretbarer Weise erfolgte". Sie wollen die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle für Informationen dazu prüfen.

Der Kulturrat bemängelte allerdings, dass die Kirchen nicht adressiert würden. Die Kirchen, die durch ihre Missionstätigkeit in die Kolonialgeschichte verstrickt sind, müssten in die Diskussion miteinbezogen werden, sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann dem epd. Das Papier stelle aber einen guten Auftakt für die erst wenige Monate alte Kultur-Ministerkonferenz dar, sagte Zimmermann. Er sei erfreut darüber. Denn es sei gut, wenn Bund, Länder und Kommunen bei wichtigen kulturpolitischen Fragen an einem Strang zögen.

Zum Umgang mit Kulturgut der Kolonialzeit sagte Zimmermann, diese Frage könne nicht getrennt vom Einsatz für einen gerechten Welthandel behandelt werden. Die kolonialen Strukturen lebten weiter und die Verantwortung für die Folgen des Kolonialismus gingen über die enge Frage der Rückführung von Kulturgütern hinaus. Es gelte etwa Handelsbarrieren abzubauen und ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Afrika anzugehen, sagte er.

Proaktiv Sammlungsgut identifizieren

In den "Ersten Eckpunkten" werden Einrichtungen, die Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten bewahren, aufgefordert, ihre Bestände zu erforschen und durch Digitalisierung weltweit zugänglich zu machen. Rückführungsersuchen sollen zeitnah bearbeitet werden. Museen sind zudem aufgerufen, selbstständig und proaktiv Sammlungsgut zu identifizieren, für das eine Rückführung infrage kommt, auch ohne dass ein Rückführungsersuchen vorliegt.

Hamburgs Kulturminister Carsten Brosda sagte am Mittwochabend, das Papier sei der Auftakt einer Diskussion, die auch mit den Herkunftsstaaten und deren Zivilgesellschaften weitergeführt werden soll. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach von einer Anerkennung der historischen Verantwortung Deutschlands für sein koloniales Erbe. Mit den Herkunftsstaaten und -gesellschaften werde ein Dialog der Partnerschaft und Würde angestrebt. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD) sicherte zu, sich besonders die die Stärkung der kulturellen Zusammenarbeit mit Afrika einzusetzen. Wichtig seien dabei Dialog, Kooperation und Austausch sowie der Ausbau der kulturellen Infrastruktur in Afrika.

Förderung der Erinnerungskultur

Über die "Ersten Eckpunkte" hinausgehende Forderungen aus SPD-Sicht erhoben in einer Protokollerklärung die Länder Berlin, Hamburg, Thüringen, Brandenburg und Bremen. Sie schlugen eine Förderung der Erinnerungskultur sowie eine offensive Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus vor, dessen Wurzeln nicht von der Geschichte des Kolonialismus zu trennen seien. Zudem sprachen sich die Länder für ein zentrales Online-Portal für Objekte aus kolonialem Kontext aus.

Die Initiative Berlin Postkolonial kritisierte am Donnerstag, dass die Herkunftsgesellschaften an der Erarbeitung der "Eckpunkte" nicht beteiligt worden seien und das geschehene Unrecht nicht in dem Maße wie das Unrecht der NS-Zeit anerkannt würde. Den Nachkommen der Kolonialismusopfer werde kein rechtlicher Anspruch auf Restitution eingeräumt, bemängelte der Verein, dem afrikanische Migranten aus ehemaligen Kolonien angehören.

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