Künftig sollen behinderte Menschen unter Vollbetreuung und Personen im Maßregelvollzug uneingeschränkt wählen dürfen (Archivbild).
epd-bild/Hanno Gutmann
Die große Koalition will den Wahlrechtsausschluss für behinderte Menschen unter Vollbetreuung und Straftäter im Maßregelvollzug vollständig aufheben.
13.03.2019

Der zuständige Berichterstatter der SPD, Matthias Bartke, bestätigte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Mittwoch in Berlin einen entsprechenden Bericht des "RedaktionsNetzwerks Deutschland".

Der gemeinsame Antrag der Koalition zur Änderung des Bundeswahlgesetzes und des Europawahlgesetzes solle am Freitag im Bundestag beraten werden, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Sozialverbände sprachen von einem Meilenstein, die Grünen übten Kritik.

Dank der jetzt erzielten Einigung würden behinderte Menschen und auch Insassen des Maßregelvollzuges künftig uneingeschränkt ihre Stimme bei Wahlen abgeben können, hieß es. Erste Bundesländer haben bereits begonnen, ihre Wahlgesetze für Landtags- und Kommunalwahlen zu ändern.

Inklusives Wahlrecht

Dieses Ziel war im Koalitionsvertrag vereinbart, doch konnten sich Union und SPD zunächst nicht über die konkreten Regelungen einer Gesetzesänderung einigen. Nun sollen unter anderem Möglichkeiten einer Wahlrechtsassistenz für Menschen mit Handicap geschaffen werden. "Durch diese Änderungen wird gewährleistet werden, dass künftige Wahlen zum Europaparlament und zum Bundestag so durchgeführt werden können, dass den Vorgaben des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen wird."

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 21. Januar 2019 klare Vorgaben für die Einführung eines inklusiven Wahlrechts und das Ende der Wahlrechtsausschlüsse gemacht (AZ: 2 BvC 62/14).

Für die anstehende Europawahlen kommt die Reform indes zu spät. "Das Europawahlgesetz kann nicht wenige Wochen vor der Europawahl geändert werden. Damit würde in die laufenden Wahlvorbereitungen eingegriffen werden", heißt es in dem Antrag, der dem epd vorliegt. Es sei aber beabsichtigt, die Änderungen bereits zum 1. Juli 2019 Inkrafttreten zu lassen.

Ein wichtiger Schritt

Die Grünen wollen das nicht gelten lassen. "Wenn wir alle Hebel in Bewegung setzen, könnten wir die Ausschlüsse vom aktiven Wahlrecht noch bis zur Europawahl aufheben", heißt es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Wenn Union und SPD kurzfristige Änderungen mit Verweis auf die Empfehlungen der Venedig Kommission ablehnten, solle das nur vom eigenen Unvermögen ablenken. "Hier geht es um nichts weniger als die Umsetzung eines Grundrechts", betonten die Grünen.

Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, begrüßte die Einigung der Koalition. "Über 81.000 Erwachsene sind nicht mehr vom wichtigsten demokratischen Grundrecht, dem Wahlrecht, ausgeschlossen." Das sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur uneingeschränkten Inklusion und damit zur gesellschaftlichen Mitgestaltung von Menschen mit Behinderung, sagte Bentele.

Von einem gelungenen Durchbruch sprach auch Ulla Schmidt, die Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Zugleich zeigte sie sich enttäuscht, dass es bis zur Europawahl keine generelle Aufhebung der Wahlrechtsausschlüsse geben soll. Falls sich das in der Debatte des Bundestages zum Wahlrecht am Freitag bestätigen sollte, rät die Lebenshilfe allen Betroffenen dazu, "sich im Zweifel im Rechtswege unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht die Wahlberechtigung zu erstreiten".

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