Berlin (epd). Der Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen könnte auch nach der Änderung des umstrittenen Paragrafen 219a weitergehen. Die Oppositionsfraktionen FDP, Linke und Grüne erwägen, gegen die vom Bundestag beschlossene Neufassung im Strafgesetzbuch vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen, wie der FDP-Rechtspolitiker Stephan Thomae am Freitag bestätigte. Mit der Frage eines Normenkontrollantrags wolle man sich in der nächsten Sitzungswoche des Bundestags befassen, teilte Thomae mit. Die beginnt am 11. März.
Berufsfreiheit der Ärzte eingeschränkt
Das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Freitag) hatte als erstes über die Erwägungen berichtet. Demnach wollen die Oppositionsfraktionen unter Federführung der FDP zunächst ein Gutachten erstellen lassen. Vom Inhalt des Gutachtens hänge die endgültige Entscheidung ab. Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte Thomae, Anknüpfungspunkte für eine Klage könnten Einschränkungen der Berufsfreiheit der Ärzte oder die Frage sein, ob es nicht mildere Mittel als die des Strafrechts gäbe.
Der Bundestag hatte in der vergangenen Woche die Änderung des umstrittenen Paragrafen 219a verabschiedet, der die Werbung für Abtreibung verbietet. Weil der Paragraf in der Vergangenheit auch Grundlage für die Verurteilung von Ärzten war, die darüber informierten, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sah die Politik Handlungsbedarf. Nach der Änderung dürfen Ärzte jetzt selbst mitteilen, dass sie Abtreibungen vornehmen. Für weitere Informationen, etwa über die gewählte Methode, müssen sie an neutrale Stellen verweisen. Aus Sicht von FDP, Linken und Grünen ist die Neufassung unzureichend. Sie hatten im Bundestag für die völlige Abschaffung des Paragrafen 219a gestimmt.
Für eine Normenkontrollklage des Bundestages ist die Unterstützung von 25 Prozent der Abgeordneten erforderlich. Gemeinsam erreichen die drei Fraktionen dieses Quorum. Wer das Gutachten über die Reform erstellen soll, ist noch offen. Den Bericht, wonach der Gießener Rechtswissenschaftler Arthur Kreuzer im Gespräch sei, bestätigte Thomae zunächst nicht.
Jurist verwundert über "Gedankenspiele"
Kreuzer sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland": "Ich halte eine Klage für aussichtsreich. Das Gesetz erscheint mir verfassungsrechtlich nicht haltbar." Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Reform hatten auch mehrere Juristen bei der Bundestagsanhörung zum Thema geäußert.
Der Göttinger Verfassungsrechtler Hans Michael Heinig äußerte sich dagegen kritisch über eine mögliche Verfassungsklage. "Die Norm war in der ursprünglichen Fassung verfassungskonform", sagte er dem epd. Erst recht sei sie es im Hinblick auf Grundrechte von Ärzten in der nun liberalisierten Fassung. "Deshalb wundere ich mich über die Gedankenspiele, nun Karlsruhe anzurufen", ergänzte der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Heinig sagte zudem, die Politik beklage oft, dass das Bundesverfassungsgericht "übergriffig" agiere. "Es wird aber zugleich immer wieder als Ersatzgesetzgeber bemüht oder zur Fortsetzung einer eigentlich politischen Streitigkeit missbraucht. So auch hier", sagte der Jurist.
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