Die Vergabe des renommierten Göttinger Friedenspreises wird in diesem Jahr von Antisemitismus-Vorwürfen gegen den Preisträger überschattet. Stadt, Uni und Sparkasse ziehen sich als Unterstützer zurück. Die Jury hält an ihrer Entscheidung fest.
20.02.2019

Der Streit um die Vergabe des diesjährigen Göttinger Friedenspreises an den Verein "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" ist am Mittwoch weiter eskaliert. Wegen Antisemitismus-Vorwürfen gegen den Preisträger wollen die Universität, die Stadt und die Sparkasse Göttingen die für den 9. März geplante Verleihungsfeier nicht unterstützen. Die Feier könne nicht wie in den vergangenen Jahren in Räumen der Hochschule stattfinden, sagte ein Sprecher der Universität am Mittwoch.

Die Uni begründete die Entscheidung mit der anhaltenden Kontroverse um den Preisträger, "bei der sich die Universität keiner der kontrovers geäußerten Meinungen anschließen kann". Die grundsätzliche Unterstützung für den Göttinger Friedenspreis sei von dem Beschluss aber nicht betroffen. Die Preisjury dagegen will an ihrer umstrittenen Entscheidung festhalten.

Zuvor hatten der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie FDP-Politiker den Verein "Jüdische Stimme" als antisemitisch kritisiert. Er sei "ein aktiver Unterstützer von Veranstaltungen der gegen Israel gerichteten Boykottbewegung BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen)". Die BDS-Kampagne rufe zum Boykott israelischer Künstler, Wissenschaftler oder Unternehmer auf.

Antisemitismus-Beauftragter: Vergabe "völlig verfehlt"

Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hält die Vergabe des Preises an die Organisation für "völlig verfehlt". ‎Insbesondere die Unterstützung der "israelfeindlichen" BDS-Bewegung durch den Verein sei "hoch problematisch", sagte Klein den Zeitungen des "RedaktionsNetzwerks Deutschland" (Donnerstag). Die BDS-Bewegung nehme Juden in kollektive Haftung für Maßnahmen des Staates Israel. Mit ihrer Unterstützung der BDS-Bewegung erweise der Verein den berechtigten Anliegen der Palästinenser einen "Bärendienst".

Der Vorsitzende des Preisjury, Andreas Zumach, kritisierte den Rückzug der Unterstützer des Friedenspreises als "feige und unehrlich begründet". Universität, Stadt und Sparkasse hätten dem "Druck von Falschbehauptungen, Verleumdungen und Rufmord" gegen die "Jüdische Stimme" nachgegeben und diese höher bewertet als sämtliche kontroversen Meinungen und Argumente. Die Preisverleihung werde am 9. März an einem anderen Ort stattfinden.

Für eine gerechte Friedenslösung

Zumach hatte die Antisemitismus-Vorwürfe bereits in der vergangenen Woche im Gespräch mit dem epd zurückgewiesen. Er verwies darauf, dass die "Jüdische Stimme" für ihr Engagement geehrt werde, im Nahen Osten eine gerechte Friedenslösung zwischen zwei souveränen Nachbarstaaten anstreben und erreichen zu können. Der Verein wolle darauf hinwirken, dass sich die Bundesregierung für einen Staat Palästina einsetze.

In den vergangenen Tagen hatten mehr als 100 Personen und Organisationen aus dem In- und Ausland die Position der Jury gestützt. So schrieb der Philosophie-Professor Brian Klug aus Oxford an die Stadt und die Universität Göttingen: "Trotz Ihrer besten Absichten werden Sie nicht die Sache des Kampfs gegen Antisemitismus befördern." Unabhängig davon, hatten bereits im Januar mehr als 90 jüdische Wissenschaftler und Intellektuelle - darunter Micha Brumlik, Moshe Zimmermann und Noam Chomsky - in einem Offenen Brief Anfeindungen gegen den Verein scharf kritisiert.

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