Zeltunterkunft für Flüchtlinge in Marburg im August 2015 (Archivbild)
epd-bild/Rolf K. Wegst
Hat der Flüchtlingsandrang 2015 und 2016 die Einstellungen zu Vielfalt und Integration in Deutschland verändert? Bielefelder Konfliktforscher sagen: Die Offenheit nimmt wieder zu - aber auch die Skeptischen und Abweisenden werden mehr.
24.01.2019

Das Klima entspannt sich wieder: Die Mehrheit der Bevölkerung steht der Integration von Zuwanderern positiv oder zumindest neutral gegenüber. Das ist die zentrale Botschaft der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick und Madlen Preuß, die am Donnerstag in Berlin ihre jüngste Studie vorstellten. Nach den Zuwanderungsjahren 2015 und 2016 hat demnach in der Bevölkerung eine positive Haltung zu Vielfalt und gesellschaftlichem Wandel wieder zugenommen.

Nur ein kleiner Teil der Deutschen wolle unter sich bleiben, so die Autoren der Studie "Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit - ZuGleich 2018". Eine stärkere Willkommenskultur wünschen sich 37 Prozent der Befragten - das sind knapp zehn Prozent mehr als 2016 auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsandrangs. Neutral äußerten sich 32 Prozent. 31 Prozent lehnten eine stärkere Willkommenskultur ab - knapp fünf Prozent weniger als 2016.

Spannungen aushalten

Damit näherten sich die Werte 2018 wieder denen von 2014 an, sagte Studienautor Zick. Er forderte die Politik auf, "mehr Integration zu wagen". Gruppen und Politiker, die sich dafür starkmachen, könnten sich auf eine Mehrheit der Bevölkerung stützen, sagten Zick und Preuß. Das gelte auch, so Zick, wo es lokal zu Konflikten komme. Das werde immer wieder passieren. Spannungen müssten ausgehalten und gelöst werden. Man dürfe es nicht den Populisten überlassen, unumgängliche Konflikte bei der Integration als Beweis dafür anzuführen, dass Einwanderung nicht funktioniere, argumentierte Zick.

Die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft kann man sich erwerben, meinen bis zu 90 Prozent der Befragten: Wer die Sprache lerne, Gesetze achte, sich in Deutschland zu Hause fühle, berufstätig sei und die gesellschaftlichen Werte schätze, gehöre dazu, meint eine klare Mehrheit.

Erst mal hinten anstellen

Ein anderes Bild ergab sich für die Forscher allerdings bei Fragen danach, was Neuankömmlingen an Bewegungsspielraum zugestanden wird. Zwar sagt eine deutliche Mehrheit, Zuwanderer sollten die gleichen Rechte haben wie alle anderen auch - doch nahm von 2014 bis 2018 der Anteil der Menschen deutlich zu, die meinen, die "Neuen" sollten sich erst mal hinten anstellen und mit weniger zufrieden geben als die Alteingesessenen. Personen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden sich der Studie zufolge in ihren Einstellungen kaum. Flüchtlinge und Asylbewerber wurden nicht befragt.

In Deutschland hat laut Statistischem Bundesamt rund jeder Vierte einen Migrationshintergrund, das sind 19,3 Millionen Menschen. Mehr als die Hälfte haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Als Migrationshintergrund gilt ein im Ausland geborenes Elternteil, die eigene Zuwanderung oder eine nicht-deutsche Staatsbürgerschaft.

Die Grünen sehen sich bestätigt

Die Studie "ZuGleich" des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld wird von der Stiftung Mercator gefördert und erhebt alle zwei Jahre in repräsentativen Umfragen, wie Bürgerinnen und Bürger zur Willkommenskultur stehen, welche Kriterien sie für die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft anlegen und wie sie sich das Zusammenleben künftig vorstellen. Für die dritte Erhebung wurden Mitte vergangenen Jahres 2.009 Personen telefonisch befragt.

Die Grünen sehen sich durch die Ergebnisse der Forscher bestätigt. Die Sprecherin für Integrationspolitik der Bundestagsfraktion, Filiz Polat, erklärte, die Mehrheit der Bevölkerung lasse sich von einer spaltenden Minderheit nicht anstecken.

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