Ex-Pfleger Niels Högel (Archivbild)
epd-bild/Julian Stratenschulte/dpa-Pool
Drei Zeugen, drei Aussagen und viele offene Fragen: Im Mordprozess gegen Niels Högel konnten sich frühere Kollegen des Angeklagten nur an wenige Details erinnern.
23.01.2019

Im Mordprozess gegen den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel haben sich am Mittwoch weitere Zeugen teils auf erhebliche Erinnerungslücken berufen. Richter Sebastian Bührmann befragte drei frühere Kollegen zu Högels Taten in Oldenburg und Delmenhorst. Die Zeugen wollten dabei viele Details weder bestätigen noch abstreiten. Dies sorgte insbesondere unter den Anwälten der Nebenkläger für Unmut. Einen der Zeugen ließ das Gericht schließlich vereidigen, weil offenbar auch Bührmann Zweifel an den Aussagen hatte. Die Befragungen von zwei ehemaligen Lebensgefährtinnen Högels fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. (AZ: 5Ks 1/18)

Laut Anklageschrift soll Högel in den Jahren 2000 bis 2005 in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst 100 Patienten mit Medikamenten vergiftet haben, die zum Herzstillstand oder Kammerflimmern führten. Anschließend versuchte er, die Patienten wiederzubeleben, um als rettender Held dazustehen. Der frühere Krankenpfleger hat im Verlauf des Prozesses, der Ende Oktober begonnen hatte, 43 Mordfälle eingeräumt. Fünfmal wies er die Anschuldigung zurück. An die weiteren Patienten könne er sich nicht erinnern, sagte er. Wegen weiterer Taten verbüßt Högel bereits eine lebenslange Haftstrafe.

Gegensätzliche Zeugenaussagen

Am neunten Verhandlungstag sagte unter anderen ein Krankenpfleger und stellvertretender Stationsleiter des Klinikums Oldenburg aus, er könne sich weder an Diskussionen noch an eine Konferenz zu auffällig erhöhten Kaliumwerten bei Patienten erinnern. Auch an spezielle Gespräche mit Högel zum Umgang mit Patienten habe er keine Erinnerung mehr. Ein Anwalt der Nebenklage hielt dem Zeugen schließlich vor, es sei sinnlos ihn zu befragen. Högel selbst bekräftige auf Nachfrage eine eigene Aussage, wonach der Zeuge an der sogenannten "Kalium-Konferenz" teilgenommen hat.

Schon am Dienstag hatten zwei gegensätzliche Zeugenaussagen in dem Prozess für Aufsehen gesorgt. So erhob ein ehemaliger Kollege Högels bei seiner Befragung schwere Vorwürfe gegen die Oldenburger Klinikleitung und die leitenden Ärzte. Unter anderem sagte er, manche Kollegen hätten bereits 2001 Zusammenhänge zwischen den Todesfällen, den Reanimationen und Högel gesehen. Dies könne den Ärzten nicht verborgen geblieben sein. Ein ebenfalls befragter Oberarzt hingegen bestritt, dass es einen Verdacht gegeben hatte und berief sich über weite Teile auf Erinnerungslücken.

"Schutz eines Serienmörders"

Unterdessen forderte ein Sprecher von Opfer-Angehörigen, Christian Marbach, die Leitung des Klinikums Oldenburg auf, unabhängig von strafrechtlichen Anklagen herausfinden, wer von den Taten Högels gewusst und dennoch geschwiegen habe. "Wir reden hier nicht darüber, dass jemand einen Falschparker nicht angezeigt hat", sagte Marbach der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch). "Wir reden hier über systematischen, organisatorischen Schutz eines Serienmörders - durch ignorieren, vergessen, vermeiden."

Marbach warf Högel vor, er kooperiere nicht ausreichend, sondern gebe nur das zu, "was man ihm ohnehin nachweisen kann". Das sei für die Angehörigen "extrem schlimm". Er habe gehofft, "dass er es ehrlich meint mit uns, dass er konsequent zu seinen Taten steht, zur Aufklärung beiträgt und echte Schuld uns gegenüber empfindet", sagte Marbach. "Das ist derzeit nicht zu sehen. Bei ihm überwiegt Selbstmitleid." Der Prozess gegen den Ex-Krankenpfleger wird am 30. und 31. Januar öffentlich fortgesetzt.

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