Justitia (Symbolbild)
epd-bild/Heike Lyding
Einem Mann aus Gronau wurde vorgewerfen, in den 70er Jahren in der Colonia Dignidad an der Ermordung von Gegnern des Pinochet-Regimes beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft Münster hat das Verfahren nun eingestellt.
23.01.2019

Menschenrechtler haben die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens in Münster wegen Verbrechen in der früheren deutsch-chilenischen Sektensiedlung Colonia Dignidad kritisiert. Allem Anschein nach habe die Staatsanwaltschaft keine eigenen Ermittlungsschritte unternommen, erklärte das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika am Mittwoch in Berlin. Zeugen seien nicht gehört und Menschenrechtsanwälte nicht befragt worden.

Die Staatsanwaltschaft Münster hatte das Verfahren gegen einen heute 72 Jahre alten Mann aus Gronau eingestellt, der in der Siedlung im Süden Chiles gelebt hatte. Ihm wurde vorgeworfen, in den 70er Jahren an der Ermordung von mindestens zwei Gegnern des Pinochet-Regimes beteiligt gewesen zu sein. Die Staatsanwaltschaft erklärte, ein Tatverdacht der Beihilfe zum Mord lasse sich nicht begründen. Beihilfe zu Totschlag wäre nach mehr als 40 Jahren verjährt. Nach Angaben chilenischer Behörden seien keine sterblichen Überreste von Vermissten gefunden worden.

Versagen der deutschen Justiz

Opfer-Anwältin Petra Isabel Schlagenhauf sprach von einem weiteren Versagen der deutschen Justiz im Umgang mit der Colonia Dignidad. Die Exekution Dutzender Menschen sei durch mehrere Zeugenaussagen belegt. Die Leichen dieser Menschen seien in Massengräbern verscharrt und nach Jahren wieder ausgegraben worden. Zeugen, die zu diesen Vorgängen hätten aussagen können, seien nicht vernommen worden.

Auch die Menschenrechtsorganisation ECCHR, die Anzeige gegen den Mann aus Gronau gestellt hatte, kritisierte, dass die deutsche Justiz keine der vielen benannten Zeugen vernommen hat. Die Folterungen und das Verschwindenlassen von Gegnern der Diktatur in der Siedlung drohe nun endgültig im Verborgenen zu bleiben, erklärte der ECCHR-Jurist Reinhard Schüller in Berlin.

Folterlager unter Pinochet-Diktatur

Die von dem inzwischen verstorbenen Deutschen Paul Schäfer 1961 gegründete Colonia Dignidad diente unter der Pinochet-Diktatur (1973-1990) als Folterlager. Aber auch die rund 300 Bewohner erlitten Misshandlungen, mussten Zwangsarbeit leisten, wurden geschlagen und mit Medikamenten ruhiggestellt. Kinder wurden sexuell missbraucht. In Chile wurde die Führungsriege inzwischen zu Haftstrafen verurteilt. Heute heißt die Siedlung Villa Baviera und hat rund 100 Bewohner.

In Deutschland wurde noch kein Täter zur Rechenschaft gezogen. Der in Chile wegen Beihilfe zu Vergewaltigung verurteilte Sekten-Arzt Hartmut Hopp, der sich nach Deutschland abgesetzt hat, muss nicht ins Gefängnis. Das Oberlandesgericht Düsseldorf befand, dass das chilenische Urteil nicht ausreiche, um in Deutschland eine Strafbarkeit zu begründen.

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