Niels Högel verdeckt sein Gesicht. (Archivbild)
epd-bild/Mohssen Assanimoghaddam/dpa-Pool
Im Mordprozess gegen den früheren Krankenpfleger Niels Högel hat ein ehemaliger Kollege die verantwortlichen Ärzte am Oldenburger Klinikum belastet.
22.01.2019

Im Mordprozess gegen den früheren Krankenpfleger Niels Högel hat einer seiner ehemaligen Kollegen schwere Vorwürfe gegen die Oldenburger Klinikleitung und die leitenden Ärzte erhoben. Der Zeuge sagte am Dienstag vor dem Landgericht Oldenburg, zwar habe er das Klinikum schon 2001 verlassen, dennoch hätten ihn einstige Kollegen fünf Jahre später darum gebeten, anonym Anzeige zu erstatten. Da er zu dem Zeitpunkt psychisch krank gewesen sei, habe er das abgelehnt. (AZ: 5Ks 1/18)

Die Kollegen seien vermutlich aus Angst um ihren Arbeitsplatz nicht selbst zur Polizei gegangen, sagte der Mann. Ein befreundeter Pfleger habe ihn über die Jahre hinweg über die Ereignisse in der Klinik auf dem Laufenden gehalten.

Bereits lebenslange Haftstrafe

Laut Anklageschrift soll Högel in den Jahren 2000 bis 2005 in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst 100 Patienten mit Medikamenten vergiftet haben, die zum Herzstillstand oder Kammerflimmern führten. Anschließend versuchte er sie wiederzubeleben, um als rettender Held dazustehen. Der frühere Krankenpfleger hat im Verlauf des Prozesses, der Ende Oktober begonnen hatte, 43 Mordfälle eingeräumt. Fünfmal wies er die Anschuldigung zurück. An die weiteren Patienten könne er sich nicht erinnern, sagte er. Wegen weiterer Taten verbüßt Högel bereits eine lebenslange Haftstrafe.

Der 55-jährige Zeuge sagte, manche Kollegen hätten Zusammenhänge zwischen den Todesfällen, den Reanimationen und dem Namen Niels Högel gesehen. Das könne den Ärzten nicht verborgen geblieben sein. Nach seinem Weggang sei die Stimmung auf der herzchirurgischen Intensivstation gekippt. Ein Freund habe eine Kollegin mit einer "Berliner Schnauze" einmal so zitiert: "Ach herrje, der Todes-Högel ist wieder unterwegs."

Oberarzt weist Kenntnis zurück

Anschließend befragte der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann den Oberarzt der Herzchirurgie am Klinikum Oldenburg. Er bestritt mehrfach, jemals konkrete Hinweise zu Vorfällen erhalten zu haben, die mit Högel verbunden gewesen seien. Auch bei späteren Gesprächen mit anderen Ärzten hätten weder Beweise vorgelegen, noch hätten sich Mutmaßungen so weit verdichtet, dass eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft zu verantworten gewesen wäre. Er habe sich erst an Högel erinnern können, als ihm ein Foto des Angeklagten gezeigt worden sei.

Der Richter legte dem Oberarzt eine Strichliste vor, die in dem Prozess als Beweisstück dient. Die von der Stationsleitung erstellte Liste vermerkt in einem bestimmten Zeitraum rund 30 Reanimationen, davon war Högel an 18 beteiligt. Alle anderen Pflegekräfte waren danach bei vier bis sechs Wiederbelebungen dabei, ein Pfleger hatte zehn Menschen wiederbelebt. Der Mediziner sagte, er sehe die Liste zum ersten Mal. Sie sei nie mit ihm erörtert worden. Ein handschriftlicher Vermerk weist darauf hin, dass weder die Klinikleitung noch die Pflegedienstleitung in der Liste genug Gründe für eine Anzeige sahen.

Erhöhte Kaliumwerte bei Patienten

Ähnlich reagierte der Oberarzt, als ihn der Richter nach der "Kalium-Konferenz" befragte. Mehrere Zeugen hatten von dieser Konferenz bereits berichtet. Dabei ging es um die Häufung von unerklärlich hohen Kaliumwerten bei den Patienten. Auch daran konnte sich der Mediziner nicht erinnern. Richter Bührmann wies den Arzt mehrfach darauf hin, dass ein Zeuge vor Gericht die Wahrheit sagen müsse. Es sei für ihn nur schwer nachzuvollziehen, dass der Zeuge als "zweiter Mann nach dem Chefarzt" nicht tiefer in den Fall involviert gewesen sei. Wegen der Bedeutung seiner Aussage wurde der Zeuge vereidigt.

Im Anschluss an die Vernehmung des Oberarztes rief der Richter den früheren Kollegen Högels erneut in den Zeugenstand. Dieser bezweifelte die Aussagen des Arztes. Es sei "völlig unglaubwürdig" und nicht vorstellbar, dass ein Oberarzt, der mehrfach täglich zur Visite auf die Station komme, die dort arbeitenden Pfleger nicht kenne.

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