Eine Frau gibt ihrem pflegebedüftigen Mann seine Medikamente.
epd-bild/Jürgen Blume
Pflegende Angehörige sind häufig mit ihrer Situation überfordert. Für sie fordert der Sozialverband VdK mehr Möglichkeiten, eine berufliche Auszeit zu nehmen. Die Verbesserungen würden den Steuerzahler rund 4,3 Milliarden Euro im Jahr kosten.
27.12.2018

Der Sozialverband VdK hat ein Konzept gegen die hohe Belastung von pflegenden Angehörigen, Nachbarn und Freunden vorgelegt. Es sieht vor, dass mehr Menschen als bisher eine berufliche Auszeit für die Pflege nehmen können. Diese soll auch länger dauern können, als es die Gesetze bisher vorsehen. In dieser Zeit erhalten Pflegende eine aus Steuern finanzierte Lohnersatzleistung. "Die häusliche Betreuung von Angehörigen oder Freunden ist eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe, die gefördert werden muss", sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele am Donnerstag in Berlin. Die Altersforscherin Gerda Blechner forderte mehr Hilfsangebote für pflegende Angehörige.

Viele privat Pflegende sind laut Bentele körperlich und psychisch stark belastet. "Auch machen sie oft berufliche Abstriche und nehmen finanzielle Einbußen bei Einkommen und Renten in Kauf, um andere zu pflegen", erklärte die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland.

Elternzeit als Vorbild

Das Konzept des VdK orientiert sich an der Elternzeit und am Elterngeld. Analog der Elternzeit sollten Pflegende nach den Vorstellungen des VdK einen Rechtsanspruch auf eine teilweise oder vollständige Freistellung von der Arbeit haben. Sie könnten also, anders als bislang, unabhängig von der Betriebsgröße eine Pflege-Auszeit nehmen.

Pflegende dürften sich pro Pflegebedürftigem, um den sie sich kümmern, drei Jahre und damit länger als bisher freistellen lassen. Sie können sich die Betreuung auch mit einer Person teilen, die Pflege-Auszeit würde dann insgesamt sechs Jahre pro Pflegebedürftigem betragen.

Die Pflege-Auszeit sollten nicht nur Angehörige nutzen dürfen, es können auch Freunde oder Nachbarn sein. "Dies entspricht heutigen gesellschaftlichen Strukturen", sagte Bentele.

Überforderung kann zu Gewalt führen

Pflegende Angehörige bräuchten eine bessere und niedrigschwellige Beratung über Entlastungsmöglichkeiten wie Tagespflege, Kurzzeitpflege und ambulante Pflegedienste, sagte Blechner, die sich in einer Studie und einem Buch mit dem Titel "Von wegen Überforderung" mit dem Thema beschäftigt hat. "Wenn sie frühzeitig wissen, dass sie nicht alles allein schaffen müssen und Hilfe bekommen können, eskaliert die Situation womöglich nicht." Überforderte Angehörige neigten bisweilen zu Gewalttätigkeiten.

Ambulante Pflegedienste sollten zudem mit mehr Interventionsmöglichkeiten ausgestattet werden, wenn sie auf Missstände in den Familien stoßen und in engem Kontakt mit den Hausärzten der Pflegebedürftigen stehen, forderte Blechner. "Die wenigsten ambulanten Pflegekräfte schließen sich mit den Hausärzten kurz, vieles wird nicht weitergeleitet und versandet dann irgendwo."

Lohnersatzleistung gefordert

Im VdK-Konzept werden Bedingungen für den Anspruch auf die Pflegepersonenzeit genannt: Pflegende müssen sich um einen Pflegebedürftigen kümmern, der einen Pflegegrad von mindestens 2 hat und zu Hause lebt. Das VdK-Konzept sieht ferner vor, dass Pflegende mindestens zehn Stunden in der Woche pflegen müssen, verteilt auf zwei Tage. Maximal dürften sie 30 Wochenstunden arbeiten.

"Wer die Pflegepersonenzeit nutzt, soll Anspruch auf eine Lohnersatzleistung haben, analog dem Elterngeld", sagte VdK-Präsidentin Bentele. "Das ist für Pflegende eine große finanzielle Hilfe, denn bisher können Pflegende Auszeiten für Pflege nur über zinslose Darlehen finanzieren."

Das vom VdK vorgeschlagene Pflegepersonengeld beträgt 65 bis 100 Prozent des vorherigen Nettolohns der Pflegenden, mindestens 300 Euro und höchstens 1.800 Euro pro Monat. Man kann es maximal zwölf Monate beziehen. Betreuen zwei Pflegende einen Pflegebedürftigen, liegt die Bezugsdauer bei 14 Monaten insgesamt.

Das Pflegepersonengeld soll nach dem VdK-Konzept aus Steuermitteln finanziert werden. Die Ausgaben dafür betragen nach Berechnungen des Verbandes pro Jahr 4,3 Milliarden Euro.

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