Das Spiegel Verlagsgebaeude
epd-bild / Stephan Wallocha
Einen Tag nach der Aufdeckung von Fälschungen durch den Reporter Claas Relotius beim "Spiegel" geht die Debatte über die Lehren aus dem Fall weiter.
20.12.2018

Der Medienwissenschaftler Horst Röper lobte das Vorgehen des "Spiegels" in dem Skandal als vorbildlich. Der transparente Umgang mit dem Betrug sei absolut richtig und notwendig, da die Glaubwürdigkeit des Magazins "mehr als angekratzt" sei, sagte Röper am Donnerstag im Radiosender HR-Info. Unterdessen haben verschiedene Medienhäuser, für die Relotius ebenfalls gearbeitet hat, eigene Überprüfungen begonnen.

Der "Spiegel" gewinne durch seine Krisenkommunikation nun wieder an Glaubwürdigkeit, "weil er sehr offenlegt, was los ist, ohne dass die Redaktion ja jetzt schon das gesamte Ausmaß kennt", erklärte Röper, Geschäftsführer des Dortmunder Formatt-Instituts für Medienforschung und Medienökonomie. "Ich würde mir wünschen, dass alle mit dem Fall so umgehen wie der 'Spiegel'." Lobend äußerte sich auch der frühere Chefredakteur des Magazins "Geo", Peter-Matthias Gaede. Der "Spiegel" sei offensichtlich stark daran interessiert, Hintergründe und Zusammenhänge aufzuklären.

Bislang keine Strafanzeige gegen Relotius

Der Reporter Relotius habe in einer Zeit, in der das Misstrauen gegenüber Medien grassiere, "selber die Glaubwürdigkeit der Medien so sehr infrage gestellt, dass es schon eine Katastrophe ist", sagte Gaede und ergänzte: "Das macht das Leben von Journalisten sicherlich nicht leichter." Zugleich warnte er vor pauschaler Medienschelte. Man dürfe diesen Fall nicht als Beleg dafür nehmen, was Medien tun.

Andere Journalisten wie der Medienexperte und Blogger Stefan Niggemeier hatten indes als "selbstgerecht" und "schonungslos" kritisiert, wie Ullrich Fichtner von der "Spiegel"-Chefredaktion über Relotius geschrieben habe. "Die Art, wie Fichtner den Fall aufschreibt und daraus eine 'Spiegel'-Geschichte macht, spricht dafür, dass er gar nicht erkannt hat, wie sehr gerade das Geschichten-Erzählen ein Problem in diesem Fall ist."

Der "Spiegel" bestätigte dem epd unterdessen, dass bislang keine Strafanzeige gegen Relotius erstattet worden sei. "Wir prüfen den Sachverhalt und behalten uns vor, dies noch zu tun", hieß es.

Zeitungen kündigen offenen Umgang an

Die Wochenzeitung "Die Zeit" kündigte am Donnerstag im Internet an, die sechs Beiträge, die Relotius in den Jahren 2010 bis 2012 für "Zeit Online" und "Zeit Wissen" verfasst hat, überprüfen zu wollen. Auf E-Mails und Anrufe habe Relotius bisher nicht reagiert, heißt es auf "blog.zeit.de", wo die Ergebnisse der Überprüfungen fortlaufend dokumentiert werden sollen.

"Tagesspiegel"-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron versprach den Lesern in einem Leitartikel ebenfalls einen offenen Umgang mit dem Fall. Dieser dürfe sich nicht wiederholen. Er treffe die Branche "zur schlimmsten Zeit. "Die besten Medien des Landes drucken erfundene Stories - besser kann man das Misstrauen in die Branche nicht schüren", so Blumencron.

Zu den Zeitungen, für die Relotius geschrieben hat, gehörten neben dem "Tagesspiegel" auch die "Neue Züricher Zeitung am Sonntag", "Cicero", die "Financial Times Deutschland", die "tageszeitung", "Welt", das "SZ-Magazin" und die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".

Vier Reporterpreise inwzischen zurückgegeben

Der "Spiegel"-Reporter Juan Moreno, der die Fälschungen aufdeckte, sagte am Donnerstag, es seien zunächst kleine Fehler und Unglaubwürdigkeiten gewesen, die ihm in den Artikeln von Relotius aufgefallen seien. Als sich der Verdacht erhärtete, sei es sehr schwer für ihn gewesen, seine Chefs zu überzeugen. "Die haben mir einfach nicht geglaubt", sagte Moreno in einem Video, das "Spiegel Online" veröffentlichte. Erst eine inoffizielle Fahrt mit dem Mietwagen von Las Vegas nach Arizona für Gegenrecherchen vor Ort habe Gewissheit über das Ausmaß der Fälschungen gebracht.

Relotius hat seine vier Deutschen Reporterpreise inzwischen zurückgegeben, wie das Reporter-Forum in Hamburg mitteilte. Das Journalisten-Netzwerk vergibt jährlich den Deutschen Reporterpreis und hatte die Auszeichnung für 2018 noch Anfang Dezember an Relotius verliehen. Auch 2013, 2015 und 2016 war Relotius mit dem Preis ausgezeichnet worden.

Der "Spiegel" hatte den Betrugsfall im eigenen Haus am Mittwoch offengelegt. Der bisherige "Spiegel"-Redakteur Relotius habe im großen Umfang eigene Geschichten manipuliert, berichtete das Nachrichtenmagazin. Er habe die Fälschungen inzwischen zugegeben und das Haus verlassen. Journalistenverbände reagierten betroffen und teils erschüttert auf den Betrugsfall.

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