Schüler der Ziehenschule in Frankfurt am Main nehmen an einem Workshop zum Thema Antisemitismus teil (Archiv).
epd-bild/Thomas Rohnke
Die Frankfurter Soziologin Julia Bernstein hat Antisemitismus an Schulen untersucht. Viele Lehrer erkennen Antisemitismus nicht, sagt sie im Gespräch mit dem epd.
04.12.2018

Die Frankfurter Soziologin Julia Bernstein hat vorgeschlagen, den Umgang mit Antisemitismus im Lehramtsstudium zu verankern. "Lehrkräfte sollten den Umgang mit Antisemitismus im Studium lernen", sagte Bernstein dem Evangelischen Pressedienst (epd). Lehrer müssten besser geschult werden, um Antisemitismus zu erkennen. Viele Studierende könnten ihre Ausbildung an der Universität abschließen, ohne sich mit heutigen Antisemitismus- oder Rassismusformen auseinandergesetzt zu haben, sagte sie.

Am Donnerstag erscheint Bernsteins Studie zu Antisemitismus in der Schule aus Sicht der Betroffenen. Darin wird deren Sicht auch mit der Perspektive der Lehrkräfte verglichen. Es ist die erste Studie dieser Art in Deutschland.

"Lehrer erkennen viele Formen des Antisemitismus oft nicht", sagte Bernstein. Aus der Perspektive der Lehrkräfte sei Antisemitismus Hass oder Feindseligkeit gegenüber Juden. Für Betroffene fange Antisemitismus aber viel früher an. Er beginne mit Ressentiments, Ignoranz oder Skepsis gegenüber Juden. Oft bagatellisierten Lehrer auch, wenn etwa "Du Jude" als Beschimpfung im Klassenzimmer oder auf dem Pausenhof verwendet werde. Es fehle das Bewusstsein, dass Jude-Sein als Stigma benutzt werde und als Abwertung gemeint sei. "Du Jude" gehört nach Erkenntnissen mehrerer Studien zu den am weitesten verbreiteten Schimpfwörtern auf deutschen Schulhöfen.

Bernstein hat für die Studie 227 Interviews ausgewertet, darunter sind 55 Interviews mit betroffenen Schülern, 87 Interviews mit nicht-jüdischen Lehrern und 25 mit jüdischen Lehrkräften. Darüber hinaus wurden Experten und Sozialarbeiter befragt.

Israelbezogener Antisemitismus sei an Schulen auch häufig verbreitet. Der Staat Israel werde auf Basis von Vorurteilen kritisiert. So werde Israel mit einem Apartheidstaat oder Naziregime verglichen. Israelbezogener Antisemitismus könne so weit führen, dass man dem Staat sein Existenzrecht abspreche, sagte Bernstein.

Unter den Interviewten gebe es auch Kinder, die körperliche Gewalt erfahren hätten: "Ein Junge wurde auf dem Nachhauseweg mit Steinen beworfen. Sein Rucksack hat ihm das Leben gerettet. Er ist nach Israel ausgewandert", sagte Bernstein. "Viele Lehrer haben Angst, das Problem Antisemitismus an ihrer Schule beim Namen zu nennen. Sie fürchten um den Ruf ihrer Schule."

Antisemitismus sei ein Phänomen, das es seit 2.000 Jahren gebe und das immer wieder in einem anderen Gewand daher komme, sagte die Soziologin. Zwar sei das Bewusstsein, dass es Antisemitismus in der Gesellschaft gebe, vorhanden. "Aber die meisten Menschen weisen es von sich, dass es Antisemitismus auch in ihrem Umfeld gibt. Jeder muss damit anfangen, sich selbst als erstes zu prüfen."

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