Hat der chinesische Forscher die Gen-Schere bei ungeborenen Zwillingen angewendet? (Symbol-Bild).
epd-bild / Jens Schulze
Nach der Geburt der mutmaßlich ersten genmanipulierten Babys in China hält die Kritik weiter an. Wissenschaftler fordern von der Politik, "auf nationaler und internationaler Ebene hier regulatorisch zu wirken".
28.11.2018

Die Berichte über die Geburt der ersten genmanipulierten Babys in China haben eine neue Wertedebatte ausgelöst. Das Bundesforschungsministerium bezeichnete den Vorgang am Mittwoch als "eindeutige Grenzüberschreitung". Sollten die aktuell diskutierten Experimente tatsächlich wie behauptet stattgefunden haben, "widersprechen diese den etablierten ethischen Maßstäben für die medizinische Forschung", sagte eine Sprecherin auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. "Sie werden auch von zahlreichen chinesischen Wissenschaftlern sowie der Universität, der der verantwortliche Wissenschaftler angehört, verurteilt", betonte die Sprecherin.

Medienberichten zufolge hat der chinesische Forscher Jiankui He seine Arbeit auf einem Genomforscher-Kongress in Hongkong inzwischen verteidigt. Wie die Zeitung "South China Morning Post" (Mittwoch) berichtete, sagte He, eine weitere Frau könne möglicherweise mit einem genmanipulierten Baby schwanger sein. Zugleich habe er sich dafür entschuldigt, mit seiner Forschung eine weltweite Kontroverse ausgelöst zu haben.

Der Forscher hatte am Sonntag erklärt, mit Hilfe der sogenannten Gen-Schere das Erbgut von Embryonen so verändert zu haben, dass sie nicht an Aids erkranken könnten. Die Zwillinge sollen vor einigen Wochen auf die Welt gekommen sein. Bislang galten solche Experimente auf dem Weg zum "Designerbaby" als Tabu. Die betroffene Southern University im chinesischen Shenzhen reagierte mit Unverständnis auf die Versuche und kündigte eine genaue Untersuchung an. He befinde sich seit Februar in unbezahltem Urlaub, teilte die Universität mit.

Mögliche Folgen schwer absehbar

Die Hirnforscherin Katrin Amunts, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats und Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin am Forschungszentrum Jülich, erklärte: "Das Genom der beiden Mädchen, die nach Angaben der Forscher mit CRISPR behandelt wurden, wurde durch einen Eingriff in die Keimbahn unter Anwendung einer noch sehr neuen, experimentellen Technik verändert. Offenbar war die Genom-Editierung nur bei einer von ihnen vollständig." Mögliche Folgen dieses Eingriffs für ihre weitere Entwicklung seien schwer absehbar und würden sich möglicherweise erst in vielen Jahren zeigen, sagte Amunts.

"Allein deshalb handelt es sich um eine ethische Grenzverletzung, die scharf zu verurteilen ist", betonte sie. Die Politik sei gefragt, "auf nationaler und internationaler Ebene hier regulatorisch zu wirken".

Der Wiener evangelische Sozialethiker Ulrich H. J. Körtner stellte grundsätzlich die Frage, "wie die Gesellschaft insgesamt in die komplexe biopolitische und bioethische Debatte eingebunden werden kann". Die gesellschaftlichen und kulturellen Folgen, wenn das Leben immer mehr als technisches Produkt statt als Gabe verstanden werde, "seien gravierend", erklärte der Theologieprofessor am Mittwoch in Wien. Wissenschaftsfreiheit sei ein hohes Gut, aber "sie hat ethische Grenzen".

"Menschen nach Wunsch"

Der Philosoph und Autor Wilhelm Schmid wertete die Geburt der genmanipulierten Babys als epochalen Bruch in der Menschheitsgeschichte. "Diese Technik wird mittel- und langfristig dafür sorgen, dass Menschen nach Wunsch auf die Welt kommen", sagte Schmid der "Augsburger Allgemeinen". Im Laufe des Jahrhunderts werde der genmanipulierte Menschen zum Normalfall werden, prognostizierte der Autor, der mit Büchern wie "Gelassenheit" und "Glück" Bestseller landete.

Die Berichte über die umstrittene Genforschung alarmierten auch Kirchenvertreter in Deutschland. Der Ethikexperte der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Anton Losinger, forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch) für die Biogenetik "ähnliche Schutzstandards wie bei den Menschenrechten". "Sonst stehen am Ende Perfektionierung und Selektion", warnte er. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte der Zeitung, es brauche eine "intensive ethische Besinnung in der Gemeinschaft der Forschenden" und eine breite Diskussion in Kirche und Gesellschaft.

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.