Der Gentechnikexperte Christoph Then hat die mutmaßlichen Manipulationen eines chinesischen Forschers an Menschen als "deutliches Warnsignal" bezeichnet.
27.11.2018

Falls diese Experimente tatsächlich stattgefunden haben, stehe man "an der Schwelle einer neuen Entwicklung, die wir nicht ausreichend kontrollieren können und die uns zunehmend entgleitet", sagte der Geschäftsführer und wissenschaftliche Direktor des Münchner Instituts Testbiotech am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Testbiotech wurde 2008 als Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie gegründet.

Ein chinesischer Forscher hatte am Sonntag erklärt, mit Hilfe der sogenannten Gen-Schere (CRISPR-cas9-Methode) das Erbgut von Embryonen so verändert zu haben, dass sie nicht an Aids erkranken könnten. Die Zwillinge mit dem manipulierten Erbgut sollen vor einigen Wochen geboren sein. Bislang galten solche Experimente auf dem Weg zum "Designerbaby" als Tabu.

"Einfach versucht"

In China habe "die Machbarkeit im Vordergrund gestanden. Es wurde einfach versucht, ob man es technisch hinbekommt", sagte Then. Für diese Versuche habe es keinerlei Notwendigkeit gegeben. Auch ob der Schutz gegen HIV so wirklich verbessert werden könne, sei zweifelhaft. Eine derartige Herangehensweise, mit der Menschen zu einer Art Versuchstier gemacht werden, sei zu verurteilen, erklärte der Experte.

Ganz überraschend seien die Nachrichten aus China nicht, räumte Then ein: "Die Frage war wann, und nicht ob." Zurzeit sei ein "dramatischer Anstieg" der Anwendung der Gen-Schere bei Tierversuchen zu beobachten. "Wir sehen Versuche, Tiere menschenähnlicher zu machen, sogenannte Chimären herzustellen." Auch Versuche an menschlichen Embryonen nähmen offenbar zu. Diese Experimente zielten letztlich darauf ab, "auch das Erbgut der Menschen zu verändern, möglicherweise auch im Sinne einer neuen Eugenik".

Die Gen-Schere sei jedoch nicht so präzise, wie anfangs gedacht, sagte Then: "Deshalb wäre es auch überraschend, wenn das in China reibungslos verlaufen wäre und da wirklich gesunde Kinder geboren worden sind." Aber selbst wenn die Gen-Schere "richtig schneidet" bleibe die Frage: "Was macht der Organismus daraus?" Die Lebensvorgänge des Körpers könnten sich insgesamt viel stärker verändern, als das der Wissenschaftler haben wollte, der in das Erbgut eingegriffen hat.

"Produkt der Forschung"

Man wisse inzwischen, dass CRISPR tatsächlich sehr fehleranfällig sein könne. Falls die Nachrichten aus China richtig seien, "wurden hier daher Fakten gegen jegliche wissenschaftliche Redlichkeit" geschaffen, kritisierte Then. Zudem sei dies ein Eingriff, der sich auch vererben könne. Das heißt, "alle Betroffenen Nachkommen könnten sich gegen diesen Eingriff nicht mehr wehren, sie wären immer ein Produkt der Forschung eines bestimmten Labors zu einem bestimmten Zeitpunkt. Sie sind gemacht nach Kriterien, die sich dieser Arzt oder Wissenschaftler dort überlegt hat", sagte Then: "Das ist eine Verantwortung, die niemand tragen kann."

Die Gesellschaft müsse die grundsätzlichen Fragen stellen: "Wie wollen wir mit Leben umgehen? Wie wollen wir mit der biologischen Vielfalt, auch mit Versuchstieren umgehen und natürlich auch mit dem Menschen?" Diese Debatte dürfe nicht allein in Deutschland stattfinden, sondern international. Bislang gebe es in der Politik allerdings wenig Bereitschaft, dieses Thema kontrovers zu diskutieren, beklagte der promovierte Veterinärmediziner.

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