Niels Högel, angeklagt wegen Mordes an 100 Patienten an den Kliniken in Delmenhorst und Oldenburg, am zweiten Verhandlungstags, mit seiner Anwaätin Kirsten Hüftken im Gerichtssaal in Oldenburg.
epd-bild/Mohssen Assanimoghaddam/dpa-Pool
100 Patienten soll der ehemalige Krankenpfleger Niels Högel zwischen 2000 und 2005 getötet haben. Vor Gericht erinnert er sich an einige konkrete Fälle, in anderen verweist er auf Erinnerungslücken.
21.11.2018

Das Schicksal von insgesamt 26 Patienten ist am zweiten Tag des Mordprozesses gegen den Ex-Krankenpfleger Niels Högel vor dem Oldenburger Landgericht verhandelt worden. Der Vorsitzende Richter, Sebastian Bührmann, rief dazu am Mittwoch die Högel zur Last gelegten Fälle in chronologischer Reihenfolge auf und befragte den Angeklagten nach seinen Erinnerungen. 15 Mal sagte Högel, "Ja, ich kann mich erinnern", elf Mal konnte er sich nach eigenen Worten nicht erinnern. In einem Fall stritt er jeden Vorwurf ab. In allen übrigen Fällen wolle er nicht ausschließen, die Patienten in akute Lebensgefahr gebracht zu haben, sagte er.

Der Angeklagte soll zwischen 2000 und 2005 insgesamt 100 Patienten in Oldenburg und Delmenhorst getötet haben. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat er seine Opfer "mit Medikamenten in eine Krise geführt", um sie anschließend zu reanimieren. Zum Prozessauftakt vor drei Wochen hatte Högel auf die Frage, ob die Vorwürfe weitgehend zuträfen, mit "ja" geantwortet. (AZ: 5Ks 1/18) Wegen sechs weiterer Taten verbüßt er bereits eine lebenslange Haftstrafe.

Besonders gut erinnerte sich Högel an ungewöhnliche Fälle. Sei es, dass neue Methoden oder Maschinen zur Behandlung der Patienten eingesetzt wurden oder weil ein Arzt bei einer Reanimation eine Herzdruckmassage unsachgemäß ausführte und einer Patientin weitere Verletzungen zufügte.

"Da wollte ich imponieren"

Högel konnte sich ebenfalls gut daran erinnern, dass er Kolleginnen beeindrucken wollte. Mit zwei Krankenschwestern habe er im Laufe der Zeit eine Beziehung geführt. Vor ihrem Können habe er großen Respekt gehabt: "Da wollte ich imponieren."

Zur Vorbereitung des Prozesses habe er im Gefängnis die Krankengeschichten seiner Opfer auf einem vom Gericht gestellten und besonderes gesicherten Laptop gelesen, sagte Högel. Dabei habe er sich zwar gefragt, wer die Taten sonst begangen haben könnte, doch es sei ihm niemand eingefallen. Heute empfinde er "Scham, teilweise Ekel vor mir selbst." Er stelle sich die Fragen, wie er so gefühlskalt habe werden können und wer er heute sei. "Jeder einzelne Fall, den ich lese, tut mit unendlich leid", erklärte der Angeklagte. Da gebe es nichts zu entschuldigen.

Ohne Empathie

Während der Taten und danach sei er nahezu ohne Empathie gewesen, sagte Högel. Er habe sich nach erfolgreichen Reanimationen gut gefühlt. Auch das Mitleid der Kollegen nach erfolglosen Wiederbelebungen habe er als Anerkennung empfunden. Auf die Frage nach dem Verhältnis von gelungenen und erfolglosen Reanimationen, sagte Högel: "Die Mehrheit war erfolgreich. Das war mein Motivator."

Die Entscheidung zur Tat sei in der Regel binnen weniger Sekunden am Krankenbett gefallen. Fast alle Patienten waren laut Högel sediert und in einem schlechten Allgemeinzustand. So seien die Krisen nicht als ungewöhnlich aufgefallen. Er habe die automatische Überwachung für einige Sekunden unterbrochen, das Medikament verabreicht und sei dann aus dem Zimmer gegangen, um beim Einsetzen des Alarms nicht in der Nähe zu sein, sagte er.

An dem Prozess vor der 5. Strafkammer des Oldenburger Landgerichts beteiligen sich mehr als 120 Angehörige der Opfer als Nebenkläger.

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.