Alle behinderten Menschen können erwarten, dass sie überall Zugang erhalten.
epd-bild/Andrea Enderlein
Öffentliche Einrichtungen müssen barrierefrei sein, der Supermarkt nebenan muss es nicht. Dabei darf es nicht bleiben, weil Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention umsetzen muss. Wie das gehen könnte, zeigt ein aktuelles Rechtsgutachten.
13.11.2018

Der Anspruch auf Barrierefreiheit im Alltags- und Berufsleben muss Rechtsexperten zufolge weiter gefasst werden als bisher. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellte am Dienstag in Berlin ein Rechtsgutachten vor, wonach alle behinderten Menschen erwarten können, dass sie überall Zugang erhalten. Das bedeutet zum Beispiel, dass Rampen vor Supermärkten liegen müssen oder bereitstehen, wenn sie gebraucht werden.

Gibt es solche Vorkehrungen nicht, sollten die Betroffenen das Recht haben, private Arbeitgeber oder Dienstleister auf Schadenersatz verklagen zu können. Bisher haben nur Schwerbehinderte einen Anspruch auf Schadenersatz - und das auch nur im Arbeitsleben, etwa wenn ein Blinder dadurch benachteiligt wird, dass keine Braille-Computertastatur vorhanden ist. Unter den rund zwölf Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland sind etwa sieben Millionen Schwerbehinderte.

Anspruch auf Schadensersatz

Dem Rechtsgutachten zufolge, das die Antidiskriminierungsstelle in Auftrag gegeben hat, ergeben sich der Anspruch auf Barrierefreiheit und das Klagerecht aus den Bestimmungen der UN-Behindertenkonvention, die auch Deutschland unterzeichnet hat. Daher müsse ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Verpflichtung aufgenommen werden, dass im Privatsektor "angemessene Vorkehrungen" für die Gewährleistung von Barrierefreiheit getroffen werden müssen.

Diskriminierung aktiv verhindern

Der öffentliche Sektor ist bereits per Gesetz zur Barrierefreiheit verpflichtet. Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag verpflichtet zu überprüfen, wie Barrierefreiheit auch im privaten Sektor umgesetzt werden kann. Der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle, Bernhard Franke, fordert die Regierungskoalition auf, das Recht anzupassen. Deutschland setze die UN-Behindertenrechtskonvention und EU-Recht an einer zentralen Stelle nicht um, kritisierte er.

Der Verfasser des Gutachtens, der Sozialrechtler Eberhard Eichenhofer, erläuterte, im Kern gehe es darum, Diskriminierung aktiv zu verhindern. Der juristische Begriff der "angemessenen Vorkehrungen" werde sich in der Praxis zu einem Instrument für die Durchsetzung von Barrierefreiheit für viel mehr Menschen als heute entwickeln.

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