Bischöfin Kirsten Fehrs ist Mitglied und derzeit Sprecherin des fünfköpfigen Beauftragtenrats, den die 20 evangelischen Landeskirchen zum Thema Missbrauch einberufen haben.
epd-bild/Norbert Neetz
"Eine Kirche, die solcher Gewalt nicht wehrt, ist keine Kirche mehr", sagt Bischöfin Fehrs und ruft die Protestanten dazu auf, bei Missbrauchsfällen genau hinzuschauen. Zwei Studien und eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene sind geplant.
13.11.2018

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zieht Konsequenzen aus Fällen sexueller Gewalt in den eigenen Reihen. Mit einem Elf-Punkte-Plan will sie unter anderem sicherstellen, dass die Betroffenen gehört und Strukturen verändert werden, die Machtmissbrauch begünstigen. Die dafür nötige Aufarbeitung werde einige Zeit in Anspruch nehmen, sagte die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs am Dienstag am Rande der Beratungen der EKD-Synodentagung in Würzburg. Bislang sind der Kirche 479 Missbrauchsfälle bekannt. Viele ereigneten sich laut einer Umfrage in den Landeskirchen bereits zwischen den Jahren 1950 und 1970.

Zunächst sollen die Landeskirchen in mehreren regionalen Studien die Missbrauchsfälle aufarbeiten. Im zweiten Schritt will die EKD zwei unabhängige wissenschaftliche Studien anstoßen. Eine soll aufdecken, wie groß die Dunkelziffer der nicht bekannten Missbrauchsfälle in der Kirche ist. Eine weitere soll in einer Art Meta-Studie die Ergebnisse der regionalen Studien auswerten und spezielle Risikofaktoren in der evangelischen Kirche aufzeigen. Im Januar 2019 will sich der "Beauftragtenrat zum Schutz vor sexualisierter Gewalt" der EKD mit unabhängigen Wissenschaftlern treffen und die Studienvorhaben besprechen. Betroffenen-Vertreter würdigten die Vorhaben als "klares Bekenntnis zur eigenen Verantwortung", wie es in einer Mitteilung des Betroffenenrates in Berlin hieß.

Zentrale Anlaufstelle

Fehrs legte als Sprecherin des EKD-Beauftragtenrates der Synode den Elf-Punkte-Plan vor. An erster Stelle in dem Plan kommt die Beteiligung der Betroffenen. Fehrs rief sie am Dienstag dazu auf, sich zu melden und ihre Geschichten zu Gehör zu bringen. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hatte Missbrauchsopfer aufgefordert, sich zu melden, "so dass wir handeln können". Die evangelische Kirche will zudem eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene einrichten.

In einer eindringlichen Rede forderte Fehrs Kirchenleitende dazu auf, sich auch emotional der Schuld der ganzen Institution Kirche beim Missbrauch zu stellen. "Eine Kirche, die solcher Gewalt nicht wehrt, ist keine Kirche mehr", sagte sie. Bei sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche werde trotz der Einzigartigkeit jedes Falles ein "evangelisches Muster" erkennbar. Sie verwies auf Machtstrukturen, eine falsch verstandene Reformpädagogik ab den 70er Jahren und eine unscharfe Trennung von dienstlichen und privaten Verhältnissen.

Schuster warnt vor Gleichgültigkeit

In einem Grußwort an die Synode warb der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, für ein Festhalten am konfessionsgebundenen schulischen Religionsunterricht. Für ihn sei es kein Zeichen von Toleranz, sondern von Beliebigkeit, stattdessen einen Ethik- oder Lebenskundeunterricht oder auch interreligiösen Unterricht anzubieten, in dem alle großen Weltreligionen quasi neutral dargeboten werden, sagte er. "Diese Beliebigkeit führt ganz schnell zu einer vollkommenen Gleichgültigkeit gegenüber Religion", warnte Schuster.

Die viertägige Synodentagung geht an diesem Mittwoch zu Ende. Schwerpunktthema der Beratungen ist der Glauben junger Menschen.

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