Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe
epd-bild / Norbert Neetz
Die Presse darf nicht aus heiterem Himmel gerichtlich im Eilverfahren zur Unterlassung von strittigen Aussagen oder zum Abdruck einer Gegendarstellung verdonnert werden.
26.10.2018

Auch wenn Pressesachen häufig eilbedürftig sind, muss der Presse vor Erlass einer einstweiligen Verfügung Gelegenheit zur Erwiderung gegeben werden, entschied das Bundesverfassungsgericht in zwei am Freitag veröffentlichten Beschlüssen. Damit bekam in einem Fall das journalistische Recherchenetzwerk correctiv von den Karlsruher Richtern recht. (AZ: 1 BvR 1783/17 und 1 BvR 2421/17)

Correctiv hatte auf seiner Internetseite in einem Artikel über den Verlauf einer Aufsichtsratssitzung eines Unternehmens und bestehenden Korruptionsvorwürfen berichtet und die Sitzungsprotokolle veröffentlicht.

Das Unternehmen hatte daraufhin beim Landgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, die Veröffentlichung der Protokolle zu unterlassen. Das Landgericht gab dem Antrag ohne Begründung statt und ohne zuvor das Recherchenetzwerk anzuhören. Erst mit der gerichtlichen Entscheidung erfuhren die Journalisten davon.

Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit verletzt

Im zweiten Fall hatte ein Fernsehmoderator eine Gegendarstellung von einem Presseverlag verlangt. In dem streitigen Magazin-Artikel ging es um die Frage, ob der Moderator mit der Vermietung seiner Jacht ein Steuersparmodell nutzt. Die ersten Anträge auf Gegendarstellung wurden zurückgewiesen, bis das Oberlandesgericht Hamburg dem vierten Antrag des Moderators stattgab. Der Presseverlag wusste zuvor weder von den einzelnen Anträgen noch von rechtlichen Hinweisen eines Richters an den Moderator.

Doch die Presse muss vor dem Erlass einer einstweiligen Anordnung angehört werden, wie das Bundesverfassungsgericht entschied. Sie muss Gelegenheit haben, die Vorwürfe zu entkräften, anderenfalls werde der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit verletzt.

Zwar seien Pressesachen meist sehr dringlich, beispielsweise um gegen Internetveröffentlichungen schnell vorgehen zu können. Gerichte könnten daher auf eine mündliche Verhandlung verzichten. Dennoch müsse der Presse das Recht eingeräumt werden, Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen.

Einstweilige Verfügung kam überraschend

Bei correctiv habe das Landgericht über den Antrag des Unternehmens entschieden, ohne dass das Recherchenetzwerk überhaupt davon wusste. Eine ordnungsgemäße Abmahnung habe das Unternehmen nicht erteilt. Für correctiv kam die einstweilige Verfügung damit überraschend, ohne dass es seine Sicht der Dinge darlegen konnte.

Auch im zweiten Fall sei das Recht auf prozessuale Waffengleichheit verletzt worden. Der Presseverlag habe erst gar nicht von den einzelnen Anträgen des TV-Moderators erfahren. Der Verlag wurde auch nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass ein Richter dem Moderator rechtliche Hinweise gab und dieser daraufhin seinen Gegendarstellungsantrag neu fasste.

Teaserbild

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Plain text

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.