Europäisches Parlament
epd-bild / Gustavo Alàbiso
Ein symbolischer leerer Stuhl ist bei der Vergabe eines Menschenrechtspreises nichts Neues: Denn die oder der Geehrte kann in Haft sein. So könnte es auch bei der Zeremonie im Dezember in Straßburg kommen, falls Oleg Senzow nicht freigelassen wird.
25.10.2018

Der Sacharow-Menschenrechtspreis des Europaparlaments geht in diesem Jahr an den ukrainischen Filmemacher und Aktivisten Oleg Senzow. Der 42-jährige Senzow sei ein Symbol des Kampfes für die Befreiung politischer Häftlinge in Russland und der ganzen Welt geworden, erklärte Parlamentspräsident Antonio Tajani am Donnerstag in Straßburg. Er erhalte den Preis "für seinen Mut und seine Entschlossenheit".

In Straflager in Sibirien

Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung wird an herausragende Kämpfer für die Menschenrechte vergeben. Die feierliche Preisverleihung ist für den 12. Dezember geplant. Ob Senzow den Preis persönlich entgegennehmen kann, ist aber sehr zweifelhaft. Berichten zufolge befindet er sich derzeit in einem Straflager in Sibirien.

Senzow hatte sich gegen die 2014 erfolgte völkerrechtswidrige Annexion seiner Heimat, der ukrainischen Halbinsel Krim, durch Russland engagiert. Daraufhin wurde er wegen angeblicher terroristischer Aktivitäten von einem russischen Gericht zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Gegen Annexion der Krim

"Indem es ihm den Sacharow-Preis zuerkennt, drückt das Europaparlament seine Solidarität mit ihm und seinem Anliegen aus", erklärte Parlamentspräsident Tajani und forderte die unverzügliche Freilassung. "Putin hat ihn und viele andere Ukrainer zu Geiseln gemacht", kritisierte die Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms.

Auch viele Menschenrechtler und Kulturschaffende haben sich in den vergangenen Monaten und Jahren für Senzow starkgemacht. So kritisierte Amnesty International das Verfahren als "Prozess wie zu Zeiten Josef Stalins". Der Hauptbelastungszeuge der Anklage habe seine Aussage nach zehn Tagen zurückgezogen, da sie unter Folter zustande gekommen sei. Die Europäische Filmakademie richtete einen Appell zur Freilassung und kompletten Rehabilitierung an Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Zu den Unterzeichnern gehörten Ken Loach, Aki Kaurismäki, Wim Wenders, Iris Berben und Barbara Auer. Vor seinem politischen Engagement hatte Senzow besonders mit dem Film "Gamer" von 2011 von sich reden gemacht, in dem er einen spielsüchtigen Jugendlichen porträtierte.

145 Tage Hungerstreik

Im Mai dieses Jahres trat Senzow in einen Hungerstreik. Damit habe er den rund 70 anderen ukrainischen Häftlingen von der Krim eine Stimme verleihen wollen, erklärte der CDU-Europaabgeordnete und Ukraine-Berichterstatter Michael Gahler. Erst nach 145 Tagen habe Senzow "wegen drohender Zwangsernährung" den Protest abgebrochen.

Senzow war von der konservativen EVP-Fraktion im Parlament nominiert worden. Der größten Fraktion des Europaparlaments gehören unter anderem CDU und CSU an. Bis Donnerstag waren zwei weitere Nominierungen im Rennen: Der von den Linken vorgeschlagene marokkanische Bürgerrechtler Nasser Zefzafi und eine Gruppe nichtsstaatlicher Organisationen wie Sea Watch, Jugend Rettet und SOS Mediterranée, die sich der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer verschrieben haben. Sie waren von Sozialdemokraten und Grünen nominiert worden. Die Entscheidung über den Sieger trafen am Ende die Chefs oder Vertreter der acht Parlamentsfraktionen in einer Sitzung, an der auch Parlamentspräsident Tajani ohne Stimmrecht teilnahm.

Der Sacharow-Preis für geistige Freiheit erinnert an den sowjetischen Physiker, Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow (1921-1989). Erster Preisträger war 1988 Nelson Mandela, im vergangenen Jahr gewann ihn die demokratische Opposition in Venezuela.

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