Gedenken für Oury Jalloh in Dessau im Januar 2018
epd-bild/Christian Ditsch
Geschwärzte Akten, eine umstrittene Selbstverbrennungsthese, zwei weitere Todesfälle: Der Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle 2005 bewegt bis heute viele Menschen. Eine private Kommission will jetzt weitere Aufklärung.
23.10.2018

Die internationale Kommission zur Aufklärung des Todes des in einer Dessauer Polizeizelle 2005 verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh ermittelt in zwei weiteren ungeklärten Todesfällen. Nach Angaben der im Januar gegründeten privaten Expertenkommission vom Dienstag stehen beide Todesfälle in Zusammenhang mit dem Dessauer Polizeirevier. Der unabhängigen Kommission gehören Rechtsanwälte, Brandexperten, Sachverständige, Ärzte und zivilgesellschaftliche Akteure an. Sie ermittelt seit Jahresbeginn im Auftrag der Familie Jallohs und mehrerer zivilgesellschaftlicher Organisationen.

So sei der 1997 zu Tode gekommene Hans-Jürgen R. nach einer Alkoholfahrt festgenommen, in das Revier gebracht und Stunden später schwer misshandelt in der Nähe des Polizeireviers aufgefunden worden. Er starb einen Tag später an den Folgen seiner Verletzung. Im zweiten Fall wurde der Obdachlose Mario B. 2002 in einer Polizeizelle mit einem Schädelbasisbruch aufgefunden.

"Wir gehen deshalb von einem Oury-Jalloh-Komplex aus, in dem örtliche Polizei und Justiz zusammenspielen", sagte Kommissionsmitglied Vanessa Thompsons bei einer Pressekonferenz der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh am Dienstag in Berlin. Alles deute auf ein System "struktureller Gewalt und institutioneller Straflosigkeit" hin.

Geschwärzte Ermittlungsakten

Neben der weiteren Aufklärung des Todes von Oury Jalloh werde die mit Experten aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland besetzte Kommission deshalb auch die Gründe über die Verzögerungen bei den behördlichen Ermittlungen und die Verwicklungen Dessauer Polizisten bei ungeklärten Todesfällen untersuchen.

Von einer Aufklärung von staatlicher Seite sei nicht auszugehen, sagte Thompson und verlangte weitere Informationen von den Ermittlungsbehörden in Sachsen-Anhalt. Auch die beiden Rechtsanwältinnen der Familie Jallohs, Gabriele Heinecke (Hamburg) und Beate Böhler (Berlin), sprechen in dem Fall von exemplarischen Merkmalen willkürlicher Polizeigewalt, die von den Ermittlungsbehörden in Dessau-Roßlau und in Sachsen-Anhalt mit System vertuscht würden. Obwohl längst widerlegt, werde an der Selbstverbrennung des Asylbewerbers aus Sierra Leone bis heute festgehalten und alles dafür getan, diese These zu stützen.

Dazu gehörten geschwärzte Ermittlungsakten, ein "besonders unverfroren manipulierter Tatort" und die generelle Missachtung polizeilicher Vorschriften bis hin zu einer Kriminalisierung des Jalloh-Unterstützerumfeldes. "Das muss uns besorgen", sagte Böhler. Beschwerden der Anwältinnen bei der Generalstaatsanwaltschaft von Sachsen-Anhalt verhallten bislang ungehört: "Bis heute gibt es keine Reaktion, nicht mal eine Eingangsbestätigung", sagte Heinecke.

Internationale Kommission geht von Mord aus

Laut MDR prüft die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg weiterhin die Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Halle. Mit einem Abschluss werde noch in diesem Herbst gerechnet. Sachsen-Anhalts Regierungskoalition aus CDU, SPD und Grünen hatte im Juni zwei externe juristische Berater als Sonderermittler ernannt. Sie sollen den Fall untersuchen, wenn die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg ihre Ermittlungen abgeschlossen hat.

Oury Jalloh starb am 7. Januar 2005 wenige Stunden nach seiner Inhaftierung bei einem Brand in einer Dessauer Polizeizelle. Der gefesselte Jalloh soll seine Matratze mit einem Feuerzeug selbst angezündet haben. Das wird von mehreren Brandgutachtern angezweifelt. Die internationale Kommission und die Jalloh-Unterstützer gehen von einem Mord durch Polizeibeamte aus.

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