Ehemaliger Grenzuebergang Wartha/Herleshausen
epd-bild/Norbert Neetz
"Wir haben allen Grund, stolz auf die letzten 28 Jahre zu blicken", sagt der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, vor den Feiern am 3. Oktober. Der Politologe Klaus Schroeder forderte unterdessen eine ehrliche Bestandsaufnahme.
02.10.2018

Vor dem Tag der Deutschen Einheit am Mittwoch haben Politiker die Leistungen im Einigungsprozess gewürdigt. "Wir haben allen Grund, stolz auf die letzten 28 Jahre zu blicken", erklärte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), am Dienstag in Berlin. Der Einheits-Feiertag biete Gelegenheit, das zu würdigen, was gemeinsam gelungen sei. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) würdigte den Mauerfall vor 29 Jahren als "Glücksfall des letzten Jahrhunderts".

Allerdings lasse die Erfahrung von Verlust die Menschen in Ostdeutschland viel feinfühliger auf Veränderungen von außen reagieren, sagte die aus Brandenburg stammende Politikerin dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Dienstag). Viele Menschen suchten nach Sicherheit, Anerkennung und Wertschätzung. "Dabei hätten die Menschen gerade in Ostdeutschland allen Grund, selbstbewusst zu sein", fügte Giffey hinzu.

Leistungsstarke Großunternehmen fehlen

Der Ostbeauftragte Hirte verwies darauf, dass weiter strukturelle Unterschiede und Besonderheiten zwischen den neuen und den alten Bundesländern bestünden ebenso wie zwischen den verschiedenen Regionen im gesamten Bundesgebiet. Auf die Frage des Berliner "Tagespiegels" (Dienstag), was geschehen müsse, um die Lücke zwischen Ost und West zu schließen, verwiesen die ostdeutschen Regierungschefs vor allem auf immer noch bestehende wirtschaftliche und soziale Defizite in ihren Bundesländern. Im Osten fehlten nach wie vor leistungsstarke und innovative Großunternehmen, betonte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Nach Ansicht von Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) ist ein Mentalitätswechsel überfällig, der die wirtschaftlichen Leistungen und die Innovationskraft des Ostens als Bereicherung würdige. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) unterstrich, in den vergangenen 28 Jahren habe sich viel bewegt, und Ostdeutschland habe viele Erfolge verzeichnen können.

Freiheit durch Populismus in Frage gestellt

Der Leiter des SED-Forschungsverbundes an der Freien Universität Berlin, Klaus Schroeder, forderte unterdessen eine ehrliche Bestandsaufnahme der deutschen Wiedervereinigung. Die Erfolge der Einheit sollten stärker betont werden. Das dürfe aber nicht propagandistisch geschehen, sondern auch mit dem ehrlichen Verweis darauf, was seit 1990 nicht erreicht wurde, sagte der Wissenschaftler dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Die Freiheit, in der wir seit 28 Jahren leben, wird durch Populismus und Rassismus infrage gestellt", mahnte unterdessen der Direktor der Stiftung Berliner Mauer, Axel Klausmeier. "Wir müssen heute viel mehr über Demokratie und Freiheit als grundlegende Werte unserer Gesellschaft sprechen", sagte er dem epd. Populistische Anschauungen drängten inzwischen in alle Bereiche. So werde beispielsweise der "seit bald einer Generation bestehende Konsens, dass die DDR eine Diktatur war, mehr und mehr diffamiert und der SED-Staat schön geredet", sagte Klausmeier.

Mit einem dreitägigen Bürgerfest wird der Tag der Deutschen Einheit in diesem Jahr in Berlin gefeiert. Zu den zentralen Feierlichkeiten sind am Mittwoch ein ökumenischer Gottesdienst und ein Festakt mit den Spitzenvertretern der Verfassungsorgane geplant.

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