Jugendämter sind verpflichtet, Minderjährige bei drohenden Gefahren, Gewalt oder Vernachlässigung aus ihren Familien zu nehmen.
epd-bild/Steffen Schellhorn
Die Jugendämter in Deutschland haben 2017 mehr als 61.000 Kinder und Jugendliche zeitweilig aus ihren Familien genommen. Ein Drittel der Jungen und Mädchen (20.300) war noch im Kindesalter (unter 14), wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
22.08.2018

Neben den Kindern wurden rund 41.000 Jugendliche (unter 18) in Obhut genommen. Bei ihnen handelte es sich in mehr als der Hälfte der Fälle (51 Prozent) um unbegleitete Flüchtlinge. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) rief die Bundesregierung auf, den Kinderschutz finanziell besser zu fördern. Das Kinderhilfswerk terre des hommes warnte davor, Flüchtlingskinder bei den Leistungen schlechterzustellen.

Bei den Kindern unter 14 leiteten die Jugendämter die vorläufigen Schutzmaßnahmen am häufigsten (49 Prozent) wegen Überforderung der Eltern oder eines Elternteils ein. Auch der Schutz vor Vernachlässigungen (21 Prozent) und Misshandlungen (14 Prozent) spielte in dieser Altersgruppe eine wichtige Rolle. Jede zweite vorläufige Schutzmaßnahme im vergangenen Jahr konnte nach spätestens zwei Wochen beendet werden.

Bei den Jugendlichen waren unbegleitete Einreisen aus dem Ausland der häufigste Grund für Inobhutnahmen (51 Prozent). Auch Überforderung der Eltern oder eines Elternteils (18 Prozent) und allgemeine Beziehungsprobleme (8 Prozent) zählten zu den Gründen.

Drohende Gefahren, Gewalt oder Vernachlässigung

Die meisten vorläufigen Schutzmaßnahmen endeten bei den Kindern unter 14 Jahren mit der Rückkehr zu den Sorgeberechtigten (43 Prozent) oder einer erzieherischen Hilfe in einem Heim beziehungsweise einer Pflegefamilie (32 Prozent). Die Jugendlichen kehrten dagegen deutlich seltener zu den Sorgeberechtigten zurück (19 Prozent).

Die deutschen Jugendämter sind verpflichtet, die Minderjährigen bei drohenden Gefahren, Gewalt oder Vernachlässigung aus ihren Familien zu nehmen. Bis eine Lösung gefunden ist, werden sie in Obhut genommen und gegebenenfalls in einem Heim oder einer Pflegefamilie untergebracht.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die aktuellen Zahlen infolge einer Gesetzesänderung zum Umgang mit unbegleitet eingereisten Minderjährigen nur eingeschränkt mit den früheren Zahlen vergleichbar. Dadurch gab es im Berichtsjahr 2017 rund 22.500 Inobhutnahmen aufgrund unbegleiteter Einreise (37 Prozent). Trotz dieser Erweiterung lag die Zahl der Inobhutnahmen nach unbegleiteter Einreise deutlich unter der Zahl von 2016. Damals waren gut 44.900 reguläre Inobhutnahmen nach unbegleiteter Einreise gemeldet worden.

"Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe"

Die AWO warb dafür, dass sich der Bund an den Kosten des Kinderschutzes beteiligt, die die Kommunen zu tragen haben: "Kinder zu schützen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", hieß es. "Doch wenn die Kassenlage einer Kommune über die Ausstattung des Jugendamtes bestimmt, werden Entscheidungen nicht nur nach pädagogischen, sondern häufig nach finanziellen Gesichtspunkten getroffen." Am Kinderschutz dürfe nicht gespart werden.

Mancherorts sei ein einziger Jugendamtsmitarbeiter für bis zu 100 Kinder und Jugendliche zuständig. "Die besten Hilfemaßnahmen nützen nichts, wenn die Fachkräfte in den Jugendämtern zu wenig Zeit haben, um mit den Familien die passenden Maßnahmen zu finden", sagte der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler.

Terre des hommes rief die Politik auf, den Schutzbedarf von Flüchtlingskindern stärker in den Mittelpunkt zu stellen. "Wir appellieren an die Bundesregierung, unbegleitete Minderjährige nicht schlechter zu stellen, etwa durch Änderungen bei den Leistungen oder eine Erstunterbringung in Ankerzentren", sagte Ursula Gille-Boussahia, Vorstand des Kinderhilfswerks, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag).

Die Erfolge der Kinder- und Jugendhilfe bei der Arbeit mit unbegleiteten Minderjährigen seien unbestreitbar. Die Kinder- und Jugendhilfe erbringe zusammen mit den Betroffenen eine große Integrationsleistung, sagte Gille-Boussahia.

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