Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe
epd-bild/Uli Deck
Sozialhilfeträger müssen hilfebedürftige Bürger auch auf eine erforderliche Rentenberatung hinweisen.
02.08.2018

Die Behörde sei bei ihrer Beratungspflicht nicht allein auf Regelungen der Sozialhilfe beschränkt, urteilte am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe im Fall eines geistig behinderten Mannes aus Sachsen. Dieser kann sich nun Hoffnung auf Schadenersatz machen, weil der Sozialhilfeträger nicht zeitnah auf einen möglichen Erwerbsminderungsrentenanspruch hingewiesen hatte. (AZ: III ZR 466/16)

Der 1984 geborene Kläger hatte bis Ende Juli 2004 an einer berufsbildenden Maßnahme in einer Werkstatt für behinderte Menschen teilgenommen. Seine als Betreuerin bestellte Mutter beantragte für ihn beim zuständigen Landratsamt Leistungen der Grundsicherung. In ihrem Antrag verneinte sie das Bestehen eines Rentenanspruchs. Der Sohn erhielt daraufhin bis zum 31. Juli 2011 Sozialhilfeleistungen.

50.000 Euro Schadenersatz gefordert

Als 2011 eine neue Sachbearbeiterin des Sozialhilfeträgers die Mutter darauf hinwies, dass ihr Sohn offensichtlich Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente habe, war das für sie eine völlig überraschende Mitteilung. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bewilligte dann auch ab August 2011 die Erwerbsminderungsrente und stellte fest, dass der geistig behinderte Kläger diese Rente bereits am November 2004 hätte beanspruchen können. Ein rückwirkender Anspruch bestehe allerdings nicht, hieß es.

Daraufhin verlangte die Mutter für ihren Sohn über 50.000 Euro Schadenersatz vom Landratsamt. Hätte der Sozialhilfeträger bereits 2004 richtig beraten, hätte ihr Sohn die höhere Erwerbsminderungsrente beanspruchen können, argumentierte die Klägerin.

Beratungspflicht verletzt

Der BGH urteilte jetzt, dass der Sozialhilfeträger seine Beratungspflicht verletzt hat. Bei einem deutlich erkennbaren Beratungsbedarf in einer rentenversicherungsrechtlichen Frage müsse die Sozialhilfebehörde darauf hinweisen und auf eine Rentenberatung drängen. Im vorliegenden Fall sei der Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente offensichtlich gewesen. so das Gericht.

Als Sozialhilfeträger sei die Behörde in ihrer Beratung nicht nur auf Sozialhilfe-Regelungen beschränkt. Sie müsse ihre Klienten "verständnisvoll fördern" und angesichts des komplizierten Sozialrechts auch auf mögliche Rentenansprüche hinweisen, hieß es.

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