Josef Schuster
epd-bild/Christian Ditsch
Kippa-Träger werden auf offener Straße beleidigt und geschlagen, auch in sozialen Netzwerken nimmt der Hass auf Juden zu. Nicht nur Zentralratspräsident Josef Schuster schlägt Alarm.
19.07.2018

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert angesichts der Zunahme von Antisemitismus im Internet eine Überprüfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Es sei genau zu klären, ob das Gesetz "das bringt, was man erwartet hat und ob hier nicht Stellschrauben weitergedreht werden müssen", sagte Schuster am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin".

"Nicht auf Zunge beißen"

Die evangelische Theologin Petra Bahr rief zum konsequenten Protest gegen Antisemitismus im Alltag auf. "Es würde helfen, wenn alle Menschen in ihren Alltagsgesprächen hochsensibel auf judenfeindliche Äußerungen achten und widersprechen, statt sich auf die Zunge zu beißen", sagte Bahr dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf die jüngsten antisemitischen Vorfälle in Deutschland.

"Denn das Fatale ist, dass es nicht beim Sprechen bleibt, sondern dass daraus ein Handeln folgt", sagte die hannoversche Landessuperintendentin und frühere Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Bahr beobachtet eine "Rückkehr des Antisemitismus" in den öffentlichen Debatten in Deutschland "quer durch alle politischen Lager bis in den Alltag hinein".

Beleidigt und angerempelt

Für Donnerstagnachmittag waren Demonstrationen gegen Antisemitismus in Bonn und Düsseldorf geplant. In der vergangenen Woche war ein jüdischer Professor in Bonn von einem arabischstämmigen Mann angegriffen und beleidigt worden. In Düsseldorf wurde ein junger Mann mit Kippa offenbar wegen seiner jüdischen Religionszugehörigkeit beleidigt und angerempelt. Zuvor hatte es bereits andere judenfeindliche Vorfälle unter anderem in Berlin gegeben.

Der Beauftragte gegen Antisemitismus der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Sigmount Königsberg, forderte mehr Aufmerksamkeit für die Opfer. "Vor allem Kinder und Jugendliche werden durch die zunehmende Radikalisierung traumatisiert und suchen zuerst die Schuld bei sich", sagte Königsberg dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Donnerstag). Zwei Drittel der ihm gemeldeten antisemitischen Vorfälle beträfen Kinder und Jugendliche.

Zunahme antisemitischer Äußerungen

Antisemitische Äußerungen im Internet haben in den vergangenen Jahren massiv zugenommen, wie eine am Mittwoch vorgestellte Studie der Technischen Universität (TU) Berlin belegt. Der Fachbereich Allgemeine Linguistik untersuchte mehrere Hunderttausend Texte und Kommentare im Netz mit Bezug zu Judentum und Israel. Dabei wurde eine Zunahme von antisemitischen Äußerungen von 7,51 Prozent im Jahr 2007 auf mehr als 30 Prozent im Jahr 2017 festgestellt.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) war im Juni 2017 vom Bundestag verabschiedet worden und trat zum Jahresbeginn 2018 voll in Kraft. Es verpflichtet die Betreiber großer Onlineplattformen, Beiträge zu entfernen, die gegen ausgewählte Strafrechtsparagrafen wie Volksverhetzung oder Beleidigung verstoßen. Von Nutzern gemeldete Beiträge mit "offensichtlich rechtswidrigem" Inhalt müssen binnen 24 Stunden gelöscht werden. Für "rechtswidrige" Inhalte gilt eine Frist von sieben Tagen. Kritiker warnen, das Gesetz könne die Meinungsfreiheit einschränken.

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