Istanbul, Berlin (epd). In der drei Seiten umfassenden Anklageschrift werden ihm unter anderen "Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit" und "Propaganda für eine Terrororganisation" vorgeworfen. Ob Yücel selbst an dem Prozess teilnehmen wird, blieb zunächst unklar.
Der "Welt"-Korrespondent saß von Ende Februar 2017 an im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul in Untersuchungshaft, bevor ein Gericht nach rund einem Jahr im Februar dieses Jahres seine Freilassung verfügte und er nach Deutschland zurückkehren konnte. Die Richter hatten keine Ausreisesperre verfügt. Die Anklage gegen ihn blieb aber weiterbestehen. Yücel hatte sich in einigen seiner Artikel kritisch über den Kurdenkonflikt und den Putschversuch im Juli 2016 geäußert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete Yücel in einer Rede als "PKK-Vertreter" und "deutschen Agenten".
Druck auf Erdogan
Die Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen" (ROG) forderte die türkische Justiz am Mittwoch auf, die Anschuldigungen gegen den "Welt"-Korrespondenten fallenzulassen. Der Prozess gegen Yücel sei wie viele andere Prozesse gegen Journalisten in der Türkei eine Farce, kritisierte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin.
Trotz der Freilassung Yücels gehe die beispiellose Verfolgung kritischer Medien und Journalisten in der Türkei weiter, erklärte die Journalistenorganisation. Der Druck auf Erdogan und die türkische Willkürjustiz dürfe nicht nachlassen, bis der Medienpluralismus wiederhergestellt sei und alle zu Unrecht inhaftierten Journalisten freigelassen wurden.
Klage beim EGMR
Auch Yücels Rechtsanwalt Veysel Ok steht in der Türkei vor Gericht. Ihm drohen zwei Jahre Haft, weil er in einem Zeitungsinterview im Jahr 2015 die türkische Justiz beleidigt haben soll. Sein Prozess wird nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" am 4. Juli fortgesetzt.
Zudem werde voraussichtlich Ende Juli der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) über Yücels Klage entscheiden. Yücel hatte im April 2017 gegen seine Inhaftierung eine Klage beim EGMR eingereicht, dessen Entscheidungen bindend für die Türkei sind.
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